100 Jahre adventistische Buchevangelisation in Österreich: Wie die Bücher laufen lernten

APD

In Anlehnung an die waldensischen „Kolporteure“ im 13. Jahrhundert, die pietistischen „Schriftenmissionare“ des 18. sowie die „Buchevangelisten“ der Bibel- und Missionsgesellschaften des 19. Jahrhunderts entwickelten die Siebenten-Tags-Adventisten ihre Buchevangelisation. Interessant ist, dass die Wiege der adventistischen Buchevangelisation nicht in Nordamerika, sondern in Europa stand. Michael Belina Czechowski (1818-1876), ein ehemaliger polnischer Priester, der in Amerika Adventist wurde und danach als Missionar nach Europa zurückkam, bezeichnete sich selbst als „Buchkolporteur“. Er verkaufte in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine von ihm herausgegebene Missionszeitschrift sowie Bücher, indem er in Norditalien, Frankreich, der Schweiz und dem Elsass Menschen in ihren Heimen aufsuchte. Später war es der deutsche Missionar Ludwig Richard Conradi, der besonders im deutschsprachigen Raum diese Art von Literaturverbreitung in sein Missionskonzept aufnahm.

So kam schließlich 1907 Ferdinand Prauhart als Buchevangelist von Süddeutschland aus auch nach Österreich, nachdem die ersten Adventisten dort 1903 getauft worden waren. 1913 berichtete der damalige Präsident der Weltkirchenleitung der Siebenten-Tags Adventisten, Arthur G. Daniells, über seinen Besuch in Österreich: „Die Buchevangelisten in Österreich werden regelmäßig verfolgt und landen im Gefängnis.“ Das zeigt, unter welchen Schwierigkeiten diese Arbeit getan wurde. Eine freie und offene Religionsausübung samt Verkündigung war dort lange Zeit nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Trotzdem wuchs die Freikirche, woran die Buchevangelisation entscheidenden Anteil hatte. Ferdinand Prauhart, Rudolf Grabner und Franz Hasel prägten die Buchevangelisation als Leiter vor dem Ersten Weltkrieg beziehungsweise in den Jahren danach. Als 1921 in Wien eine Zweigniederlassung des Hamburger Verlagshauses der Adventisten gegründet wurde, begann die Zeit der legaleren Arbeit. Damals gab es etwa 20 Buchevangelisten in Österreich.

1941 kam es im Zusammenhang mit der politischen Entwicklung in Europa zur polizeilichen Schließung des Verlages in Wien, wodurch auch die Buchevangelisation für einige Jahre nicht mehr möglich war. Doch 1948 konnte der Verlag unter dem Namen „Rudolf Überbacher Verlag“ (später „Wegweiser Verlag“, heute „Top Life – Wegweiser Verlag“) wieder offiziell arbeiten, und die Buchevangelisation nahm einen neuen Aufschwung. Die Leiter nach dem Zweiten Weltkrieg waren Ferdinand Stronegger, Erich Riesenfellner, Alfred Jungwirth, Gerhard Sommersguter, Willi Meir-Huber und gegenwärtig Raimund Fuchs. Seit 1948 wirkten in Österreich zeitweise bis zu 45 Buchevangelisten. Sie verkauften durchschnittlich 30.000 Bücher und Bibeln im Jahr. Insgesamt wurden seit 1948 rund 1,5 Millionen Bücher verkauft. Etwa zehn Prozent aller Adventisten in Österreich hatten ihren ersten Kontakt mit der Freikirche durch Buchevangelisten.

In Österreich gibt es derzeit 3.800 erwachsen getaufte Siebenten-Tags-Adventisten in 49 Gemeinden. Weltweit unterhält die Freikirche 65 Verlagshäuser, die in 361 Sprachen christliche Literatur drucken. 40.000 Buchevangelisten haben in den letzten fünf Jahren in aller Welt etwa 54 Millionen Bücher verkauft.
Dr. Daniel Heinz

(Hinweis der Redaktion: Dr. Daniel Heinz leitet das Historische Archiv der Siebenten-Tags-Adventisten in Europa mit Sitz in Friedensau bei Magdeburg)
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