Freikirchen gegen Kriminalisierung der rituellen Beschneidung von Jungen

Witten | APD

Witten, 08.07.2012/APD In einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel haben der Präsident der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), Präses Ansgar Hörsting vom Bund Freier Evangelischer Gemeinden, und seine Stellvertreterin, Bischöfin Rosemarie Wenner von der Evangelisch-methodistischen Kirche, ihre Besorgnis über ein Urteil des Landgerichts Köln zum Ausdruck gebracht. Das Gericht hatte die rituelle Beschneidung eines vierjährigen Jungen durch einen Arzt auf Veranlassung seiner muslimischen Eltern als rechtwidrige Körperverletzung gewertet.

In ihrem Schreiben begrüßen die beiden Freikirchenleiter, die durch das Urteil angestoßene Debatte über das Kindeswohl, da der Schutz von Kindern eine "unaufgebbare individuelle und gesellschaftliche Pflicht" sei. Gleichwohl sei die VEF "schockiert" über die Entscheidung, "die Beschneidung von Jungen als Gefährdung des Kindeswohls, also als eine erhebliche seelische oder körperliche Verletzung, aufzufassen und dagegen vorzugehen". Aus medizinischer Sicht schädige der Eingriff das Kindeswohl nicht, sondern könne diesem sogar förderlich sein.

Religionsfreiheit bedeute für die Vereinigung Evangelischer Freikirchen "nicht die Freiheit der Gesellschaft von Religion, sondern die Freiheit zur religiösen Praxis – im Rahmen der durch das Grundgesetz gegebenen Richtlinien", heißt es in dem offenen Brief an die Bundeskanzlerin.

Durch das Verbot seien der jüdische und muslimische Glaube substanziell betroffen, betonten Ansgar Hörsting und Rosemarie Wenner. So würden "das Judentum und der Islam, diskreditiert" und Menschen, die dem Beschneidungsritus in Deutschland folgten, diskriminiert: "Ein geringfügiger körperlicher Eingriff wird hier mit maximaler Wirkung zur Ausgrenzung von Menschen besonderer Religionszugehörigkeit kriminalisiert." In einem abschließenden Appell fordern der Präses und die Bischöfin den Gesetzgeber auf, "hier für Rechtsklarheit und Schutz der Menschen in unserem Land zu sorgen, die eine Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen in ihrer elterlichen Sorge als eine dem Wohl des Kindes zuträgliche Entscheidung verantworten".

Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) wurde 1926 gegründet. Derzeit gehören ihr zehn Kirchen und Gemeindebünde als Mitglieder und vier als Gastmitglieder an. Die VEF sieht ihr Ziel darin, gemeinsame Aufgaben zu fördern, zwischenkirchliche Beziehungen zu vertiefen und gemeinsam freikirchliche Belange nach außen zu vertreten. Sie vertritt etwa 260.000 evangelische Christen in Deutschland.
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