Wenn Entwicklungshelfer in Kriegsgebiete ziehen

Weiterstadt bei Darmstadt | APD

Weiterstadt bei Darmstadt, 11.09.2013/APD Aufgeregt kommen uns die Einwohner von Rabiatistan entgegen, es hat einen Unfall gegeben. Sie suchen jemanden, der medizinische Hilfe leisten kann. Und während wir noch überlegen, wie wir vorgehen wollen, wird eine Handgranate nach uns geworfen. Ein lauter Knall und wir sind alle tot. Dann kommt ... "Schnitt!“

Was sich dramatisch anhöre, sei Teil eines Trainings der "Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz“ (AKNZ), einer Abteilung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK), teilte Fritz Neuberg, Assistent des Pressesprechers der Adventistischen Entwicklungs- und Katastrophenhilfe ADRA Deutschland, mit. "Rabiatistan“ sei ein erfundenes Land, die Handgranate echt, aber nur die Hülle, und der Knall werde durch einen Knallkörper verursacht. Die ganze Situation sei Teil einer Übungseinheit gewesen, die Einheimischen wären Ausbilder aus Österreich, Deutschland und Finnland gewesen.

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und anderen Organisationen, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, sollten in einem einwöchigen Training für den Einsatz im Ausland lernen. Ziel sei es gewesen, sie für mögliche Gefahren in ihren Einsatzgebieten zu sensibilisieren und zu lernen, professionelle Lösungen für komplexe Situationen zu finden. Das geschehe auf einem riesigen Gelände, betreut durch Fachleute von Feuerwehr, Polizei, Technischem Hilfswerk (THW) und Militär.

"Wer nun meint, dass Minen und terroristische Anschläge zu den meisten Unfällen und Todesopfern führen, der irrt: Noch immer ist es der Straßenverkehr, der die größte Gefahr für Entwicklungshelfer darstellt“, teilte Neuberg mit. Jährlich würden Hunderte Mitarbeiter dabei verletzt, teilweise schwer. "Während des Trainings bei der AKNZ erzählt mir eine Mitarbeiterin einer anderen Hilfsorganisation, dass ihr Ehemann, der im gleichen Berufsfeld arbeitet, vor kurzem einen schweren Autounfall hatte: Der einheimische Fahrer war eingeschlafen. Zum Glück kam bei diesem Unfall niemand ums Leben.“

Raub und Diebstahl stünden an zweiter Stelle. Aber diese Reihenfolge könne oder werde sich in Zukunft ändern, mutmaßt Fritz Neuberg. Hilfsorganisationen würden vermehrt das Ziel krimineller und terroristischer Angriffe sein, um politisches Kapital daraus zu schlagen. "Man möchte jeden Einfluss aus dem Ausland unterbinden, um so die alleinige Kontrolle über die einheimische Bevölkerung zu haben.“ Bisher seien es die Hilfsorganisationen gewesen, die Hilfe brachten, das zum Leben Notwendige besorgten und ein Stück Zukunft und Hoffnung aufbauten. Das solle – so die Auffassung krimineller und terroristischer Gruppen – in Zukunft allein durch sie selbst geschehen oder auch nicht.

Dazu beigetragen hätte leider die Vermischung militärischen Engagements mit angeblicher "Entwicklungshilfe“, kritisierte Neuberg. Dieselben Soldaten, die zuvor die Wohnung der Einheimischen stürmten und durchsuchten, sollten ihnen jetzt beim Aufbau helfen. Gleichzeitig setzten immer mehr Armeen Fahrzeuge in weißer Farbe ein, bisher ausschließlich Merkmal des Roten Kreuzes, der UN und der Hilfsorganisationen. Dass in diesem Durcheinander für die Einheimischen nicht mehr klar sei, wo echte Hilfe herkäme, wäre leicht einzusehen. Das würden Kriminelle und Terroristen ausnutzen.

Und zu guter Letzt seien korrupte Regime froh, wenn nicht mehr sorgfältig arbeitende, organisierte Hilfsorganisationen die finanziellen Mittel aus dem Ausland umsetzten und abrechneten, sondern sie selbst. Denn wo keine Hilfsorganisationen mehr hineinkämen, bleibe oft nur die Kooperation mit dem Regime.

Die Zukunft bringe, laut Fritz Neuberg, für die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen neue Herausforderungen. "War man bisher zufällig Betroffener eines Anschlags, so wird man in Zukunft vermehrt das direkte Ziel sein.“ Deshalb sei es absolut verantwortungsbewusst und notwendig, wenn die Leitung von Hilfsorganisationen ihre Mitarbeiter auf dem Gebiet der Sicherheit schule.

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