Auf dem religiösen "Markt" Frankreichs gibt es nicht nur eine Partei - Kommentar zum Papstbesuch in Frankreich

APD

Papst Benedikt XVI. hat am 12.September anlässlich seiner Begegnung mit dem französischen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy in Paris dessen Idee einer sogenannten „positiven Laizität" wohlwollend aufgegriffen. Sarkozy hatte bereits bei seinem Rom-Besuch im Dezember 2007 angesichts der bislang in Frankreich gesetzlich verankerten strikten Trennung zwischen Kirche und Staat für Aufsehen gesorgt, als er die Bedeutung der christlichen Wurzeln für Frankreich betonte und Anpassungen des Trennungsgesetzes von 1905 forderte. Nach Sarkozy sei insbesondere die christliche Religion, mit der Frankreich eine lange Geschichte teile, ein lebendiges Erbe des Nachdenkens über Gott, den Menschen und die Gesellschaft. Es wäre, so der Staatspräsident, verrückt, sich dessen zu berauben und ein Fehler gegenüber unserer Kultur.

Benedikt XVI. hat das von Sarkorzy zum Ausdruck gebrachte offenere Verständnis vom Dialog zwischen Kirche und Staat lobend erwähnt und zu einem neuen Nachdenken über den wahren Sinn und die Bedeutung von Laizität aufgerufen. Der Papst hält im Hinblick auf die Religionsfreiheit der Bürger und die Verantwortung des Staates ihnen gegenüber eine Unterscheidung zwischen politischem und religiösem Bereich für wichtig, fordert andererseits jedoch dazu auf, sich deutlicher der unersetzlichen Funktion der Religion für die Gewissensbildung bewusst zu werden sowie des Beitrags, den die Religion zur Bildung eines ethischen Grundkonsenses innerhalb der Gesellschaft erbringen kann.

Ob man angesichts der jüngsten Äußerungen aus Paris tatsächlich bereits von einem Zusammenbruch der "Mauer des Laizismus" in Frankreich ausgehen kann, wie es der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Renato Raffaele Martino, in einem Zeitungsinterview getan hat, darf dahingestellt werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Verhältnis zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Staat in Frankreich zukünftig entwickeln wird. Es ist sicher richtig, dass zur Bewältigung der aktuellen gesellschaftlichen Probleme insbesondere im Hinblick auf die Integration von Migranten ein Minimum von Wertekonsens unerlässlich ist und die Religion hierbei eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt. Eine religionsfeindlich ausgerichtete Trennung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften, wie sie dem französischen Gesetzgeber von 1905 noch vorgeschwebt haben mag, ist insoweit wenig förderlich. Bei der jetzt zu beobachtenden Entwicklung in Frankreich sollte jedoch berücksichtigt werden, dass es auf dem religiösen "Markt" nicht nur eine Partei gibt, sondern dass der Staat beim Umgang mit Kirchen und Religionsgemeinschaften zu Parität und Gleichberechtigung verpflichtet ist.

Dr. Harald Mueller

(Hinweis der Redaktion: Der Jurist Dr. Harald Mueller leitet das Institut für Religionsfreiheit an der adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg.)
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