Dokumentation: "Gemeinsam glauben – Extreme vermeiden"

Hannover | APD

Hannover, 12.12.2008/APD Der Ausschuss des Norddeutschen Verbandes, die Freikirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten in den neuen Bundesländern sowie in Berlin, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, hat das Positionspapier "Gemeinsam glauben – Extreme vermeiden" beschlossen und in der adventistischen Gemeindezeitschrift "Adventecho", Dezember 2008, veröffentlicht.

Gemeinsam glauben – Extreme vermeiden

Positionspapier der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, Norddeutscher Verband

1. Präambel

Der Norddeutsche Verband der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten hat ein klares Selbstverständnis und lebt ein Profil, auf dessen Basis er sich zum biblischen Prinzip der Einheit in der Vielfalt bekennt. Der Norddeutsche Verband lebt deshalb mit einem gesunden Spannungsfeld unterschiedlicher Auffassungen in Theologie, Lebensstil und Spiritualität.

2. Theologische Positionen des Norddeutschen Verbandes

Im Rahmen der adventistischen Theologie bekennt wir uns dazu, dass die Bibel Gottes Wort ist, durch das Gott verbindlich zu den Menschen spricht. In der Person Jesus Christus hat Gott Gestalt angenommen und sich uns offenbart. Darauf gründet sich unser Glaube (1. Korinther 3,11).

Gottes ewige Wahrheiten müssen von uns immer wieder neu verstanden, gedeutet, formuliert und in die Welt getragen werden. Daraus ergeben sich mitunter neue Formen des Ausdrucks und der Mitteilung, wobei der Inhalt des Glaubens weder abgeschwächt noch verfälscht werden oder verloren gehen darf. Das setzt voraus, dass wir die Mitte des christlichen Glaubens – im Wissen um die eigene Subjektivität – klar und eindeutig benennen. Der Norddeutsche Verband will durch sein Glaubens- und Theologieverständnis das Erlösungsgeschehen des dreieinigen Gottes so in den Mittelpunkt stellen, dass es den Menschen in unserer Zeit erreicht und ihn zur Nachfolge Jesu ermutigt.

Grundlegend für unser Menschenbild ist, dass der Mensch ein personales, von Gott zu seinem Gegenüber geschaffenes Wesen ist (1. Mose 1). Menschen sind auf Beziehungen angelegt. Sie brauchen für ihr Menschsein die Gemeinschaft mit anderen, ungeachtet ihrer Individualität und Einzigartigkeit. Menschen können deshalb Beziehungen aufbauen und sollen sie verantwortungsbewusst gestalten. Gerade in einem Geflecht von Beziehungen stellt sich die Individualität deutlich heraus und muss solidarisch im Dialog gelebt werden. Dies gilt umso mehr für das geistliche Zusammensein in unseren Gemeinden.

Vielfalt ist Ausdruck gelebter Individualität und kann deshalb nur in Toleranz gelebt werden. Darunter verstehen wir nicht ein "Alles-für-richtig-Halten" oder "Jeder-hat-Recht", sondern das Aushalten und Austragen von Differenzen in Anerkennung der Haltung unseres Gegenübers. Toleranz braucht den wachen Dialog, der dem Streit nicht ausweicht und den ehrlichen Willen, den anderen in seinem Anliegen zu verstehen und ihn in seiner Würde zu achten. Dies drückt sich in einer respektvollen Diskussionskultur aus. Es steht niemandem zu, ausgesprochen oder unausgesprochen, einem anderen den aufrichtigen Glauben oder gar das Heil abzusprechen.

3. Beobachtungen

Leider entwickeln sich an verschiedenen Stellen unserer Freikirche immer häufiger Konflikte mit teilweise unüberbrückbaren Auseinandersetzungen. Es bilden sich mitunter extreme Positionen heraus und es entstehen Gruppierungen, die meinen, Parallelstrukturen innerhalb unserer Freikirche bilden zu müssen oder bereits Schritte in diese Richtung unternommen haben. Darauf wollen wir reagieren.

4. Gelebte Vielfalt und gewollte Beschränkung

Weder Menschen noch Institutionen, also auch keine Kirche, keine Ideologie, keine Weltanschauung und keine Konfession, können über die Wahrheit verfügen. Diese Tatsache hat eine hohe theologische Qualität, weil sie letztlich den fundamentalen Unterschied zwischen Gott und dem Menschen deutlich macht. Darum tut es jeder Kirche gut, in Demut und Offenheit die biblische Wahrheit zu erforschen und dabei der Versuchung zur Verabsolutierung und Einseitigkeit zu widerstehen.

Die Zustimmung zur Vielfalt und zur Toleranz versteht sich nicht von selbst, denn sie ist mühsam und erfordert eine bewusste und gelebte Selbstbegrenzung und Auseinandersetzung. Natürlich ist die Wahrheitsfrage maßgebend. Wo wir Grenzen ziehen müssen, ist in vielen Bereichen einzeln zu entscheiden. Es gilt, einerseits Grenzen dort zu setzen, wo Zwang auf das Gewissen anderer ausgeübt wird und geistlicher Druck an die Stelle des Dialogs tritt und damit der innere Frieden der Gemeinde gefährdet ist. Andererseits findet theologische Vielfalt dort ihre Grenze, wo sie durch Relativismus und Individualismus die Einheit und Identität unserer Freikirche gefährdet.

5. Schlussfolgerungen

1. Wir fördern ein klares, adventistisches Profil, das in Toleranz und Demut gelebt wird, weil wir unterschiedliche Erkenntnisse in den eigenen Reihen respektieren.

2. Wir bekennen uns zu der reformatorischen Erkenntnis, dass sich der Glaube auf eine göttlich zugesprochene Freiheit des Gewissens berufen kann. Daraus resultiert ein hohes Maß an Eigenverantwortung, die in der Nachfolge Jesu heranreift.

3. Lebensstile und praktizierte Frömmigkeit waren schon immer kulturellen und gesellschaftlichen Einflüssen ausgesetzt. Wir bejahen eine diesbezügliche Vielfalt und lehnen eine Kasuistik ab, die in die Versuchung führt, Einzelvorschriften für alle Bereiche des Lebens zu erheben und schlimmstenfalls als verbindlich zu erklären.

4. Als verantwortliches Führungsgremium lehnen wir eine Kultur der gegenseitigen Kontrolle und eine damit verbundene Machtposition ab. Dies schließt eine klare Führungsverantwortung nicht aus.

5. Wir glauben, dass eine ehrliche Frömmigkeit sich in allen Altersstufen in vielfältiger Spiritualität ausdrücken kann und wehren dem Streben, diese Ausdrucksformen zu vereinheitlichen. Wir akzeptieren eine besondere und unterschiedliche Lebens- und Jugendkultur in den eigenen Reihen und begegnen ihr mit Respekt und Verständnis.

6. Wir begrüßen Freiräume in der Gottesdienstgestaltung, was eine Vielfalt an Musikstilen und anderen künstlerischen Darbietungen und Elementen ausmacht.

7. Wir überprüfen und – wenn angebracht – korrigieren unsere Sprach- und Redekultur im Umgang mit anders denkenden Brüdern und Schwestern aus den eigenen Reihen sowie mit Gläubigen anderer Kirchen. "Identitätsbildung" durch schroffe Abgrenzung, durch Feindbilder und durch die Herabwürdigung anderer Kirchen lehnen wir ab.

8. Wir unterlassen verurteilende Bemerkungen und leichtfertig ausgesprochene verunglimpfende Äußerungen in Wort, Schrift und Bild, weil sie einen unbarmherzigen und ausgrenzenden Charakter haben und Menschen sowie Institutionen beschädigen.

9. Damit der Leib Jesu nicht gespalten wird, wehren wir jeglichen Aktivitäten und Bestrebungen, eine Kirche innerhalb der Kirche zu bilden. Wenn Gruppen und Vereine im Bereich des Norddeutschen Verbandes konstruktiv mitwirken wollen, erwarten wir, dass sie ihre Aktivitäten mit der Leitung der Freikirche abstimmen.

10. Weil die gewählten Verantwortungsträger auf allen Ebenen des Norddeutschen Verbandes und seiner Organisationen durch ihre Wahl und Fachkompetenz legitimiert sind, treten wir jeder Form der Demontage ihrer Person und Tätigkeit entschieden entgegen.

Als Verbandsausschuss im Norddeutschen Verband sind wir Hirten der ganzen Herde und laden alle ein, mit uns gemeinsam zu glauben, Extreme zu vermeiden, die Einheit zu suchen und sich unter das Gebet Jesu zu stellen:

"Ich bitte dich nicht, sie aus der Welt wegzunehmen,
sondern sie vor dem Bösen zu bewahren,
und von allem, was nur menschlich ist, abzugrenzen.
Schließe ihnen die Wahrheit auf
und gib ihnen Stand und Halt in ihrem Glauben."

(Aus Johannes 17 nach der Übertragung von Jörg Zink.)

Der Verbandsausschuss der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten im Norddeutschen Verband, September 2008.

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Der Text kann kostenlos genutzt werden. Veröffentlichung nur mit Quellenangabe "APD" gestattet!