Türkische Regierung geschockt über Ausmaß des Christenhasses

Ankara/Türkei | APD

Ankara/Türkei, 08.10.2009/APD Die türkische Regierung ist geschockt über das Ausmaß der Ablehnung gegenüber religiösen Minderheiten. Religiöse Vielfalt müsse als Reichtum des Landes begriffen werden, zitierte die türkische Presse den stellvertretenden Regierungschef Bülent Arinc. Die in einer jüngsten Umfrage ans Licht gekommenen Ansichten seien"erschreckend". Arinc rief die Türken zu mehr Toleranz auf.

Der aktuellen Befragung zufolge wollen 35 Prozent der Türken keine Christen als Nachbarn haben; bei Juden lag die Ablehnungsrate bei 42 Prozent und bei Atheisten bei 57 Prozent. Eine deutliche Mehrheit der befragten türkischen Wähler lehnte zudem eine Beschäftigung von Angehörigen der nicht-muslimischen Minderheiten bei den Sicherheits- und Justizbehörden ab. Selbst im Gesundheitswesen wollen 44 Prozent der türkischen Bevölkerung keine christlichen oder jüdischen Ärzte oder Krankenschwestern sehen.

Die Studie wurde im Auftrag der jüdischen Stiftung "Beyoglu Rabbi's Office" in Istanbul und mit Unterstützung der EU-Botschaft in Ankara erstellt. Das demoskopische Institut "Frekans" befragte dafür im Mai und Juni dieses Jahres landesweit 1.108 Menschen.

Europarats-Menschenrechtskommissar fordert: "Ankara muss Dialog mit religiösen Minderheiten führen"

Der Menschenrechtskommisar des Europarates, Thomas Hammarberg, hat die Türkei zu einem echten Dialog mit allen religiösen Minderheiten aufgerufen. Die Regierung müsse in der Bevölkerung eine Kampagne für die Werte einer multikulturellen Gesellschaft starten, forderte Hammarberg in einem am 1. Oktober in Strassburg veröffentlichten Bericht.

Der Kommissar begrüßte jüngste Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtslage nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften. Allerdings fehle es noch an weiteren Gesetzesregelungen und der praktischen Umsetzung. Das Land müsse zudem die Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs beachten.

Scharf kritisierte der Menschenrechtskommissar die Türkei wegen ihrer Asylpolitik. Gegenwärtig entsprächen die Regelungen des türkischen Asylsystems nicht den Normen des Europarates. Besorgt äußerte sich der Menschenrechtskommissar über Berichte, wonach die Zwangsabschiebungen in den Irak und den Iran 2008 stark zugenommen hätten. Kollektive Ausweisungen dürfe es nicht geben. Besonders unbegleitete Minderjährige müssten besser behandelt werden.

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