"Das Leben wird ärmer, wenn wir nur die gesunden Zeiten schätzen"

Kassel | APD

Kassel, 25.03.2012/APD Über "Heilungserfahrungen und Auferstehungshoffnung" sprach der bis 1994 in Tübingen lehrende Theologe Professor Dr. Jürgen Moltmann beim 3. Christlichen Gesundheitskongress in Kassel. Moltmann warnte davor, die Krankheit vom Kranken abzuspalten. Man sage zwar "Ich habe eine Krankheit", aber zunächst einmal sei man krank. "Jede Krankheit ist Teil einer Lebensgeschichte, und der Kranke muss sie als Teil seiner Lebensgeschichte annehmen, wenn er verstehen will, was sie ihm sagen wolle." Moltmann sprach sich auch gegen eine einseitige Wertschätzung der Gesundheit aus: "Unser Leben wird ärmer, wenn wir nur unsere gesunden Zeiten schätzen." Dass Heilung besonders bei Jesus Wertschätzung erfahre, zeigten die Berichte des Neuen Testaments. Bei Christus stünden diese Heilungen in einem besonderen Zusammenhang. In der Heilung der Kranken werde das Reich Gottes leibhaftig. Und bei einer Heilung wolle die Lebenskraft Gottes den Körper durchdringen. Der Theologe, der auch von eigenen Krankheitserfahrungen berichtete, betonte: "Die Krankenheilungen sind Vorboten der Auferstehung."

Moltmann kritisierte vor den Medizinern, Therapeuten und Pflegenden des Kongresses einen Gesundheitsbegriff, der sich auf die Arbeits- und Genussfähigkeit beziehe. Das unterscheide sich von den Vorstellungen von Gesundheit in Afrika und Asien. Er warnte vor falschen Idealvorstellungen, die allseitiges Wohlbefinden versprächen. Vielmehr müssten Altern und Sterben als Teil des Menschseins gesehen werden. "Nicht die Abwesenheit von Störungen, sondern die Kraft, mit diesen Störungen umzugehen und zu leben, ist wichtig." Ohne Krankheiten zu bagatellisieren, ermutigte Moltmann die Kongressbesucher, Krankheiten auch als Chance zu sehen und die wirklich tragenden Fundamente des Lebens zu erkennen: "Dem Leben dient nicht, was im Sterben nicht tröstet." Als Resümee eigener Erfahrungen bekannte der Theologe: "Je mehr einen im Alter die eigenen Kräfte verlassen, umso mehr merkt man, dass man getragen wird."
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