Religionen als Ressource für den gesellschaftlichen Frieden

Basel/Schweiz | APD

Basel/Schweiz, 25.03.2015/APD Religionen würden spätestens nach dem 11. September 2001 von der Öffentlichkeit als negative oder als Konflikte fördernde Faktoren wahrgenommen, sagte Detlef Lienau, Theologischer Studienleiter bei „mission 21“, bei der Einführung zur Fachtagung „Religionen als Ressource für den gesellschaftlichen Frieden“. Die vom evangelischen Missionswerk „mission 21“ am 23. März in Basel organisierte Tagung wollte auch das Friedenspotenzial von Religionen thematisieren, zumal die Partnerkirchen des Werkes zunehmend von religiösen Konflikten betroffen und in ihrem Wirkungskreis eingeschränkt seien, so Lienau.

Frieden in und zwischen Völkern: Der Beitrag der Religionen
„Alle Religionen kennen das Phänomen religiös motivierter Gewalt“, sagte Markus A. Weingardt, Friedens- und Konfliktforscher und Mitarbeiter der Stiftung „Weltethos“ in Tübingen/Deutschland. Es sei deshalb wichtig, die Rolle von Religionen in Konflikten zu verstehen sowie die Konfliktmechanismen zu kennen. Konflikte könnten entstehen, wenn gleiche Interessen aufeinander treffen würden – zwei wollen das gleiche Haus – oder wenn unterschiedliche Interessen aufeinander stoßen – ein Partner will in die Berge, der andere ans Meer in die Ferien.

Interessenskonflikte
Bei Interessenskonflikten gäbe es meist drei Lösungsansätze, so Weingardt: Der Stärkere setzt sich durch, das eigene Recht wird eingeklagt oder es gebe eine Verständigung durch Ausgleich oder Kompromiss.

Wertekonflikte
Schwieriger sei es bei Wertekonflikten, denn es gebe nicht die Menschenrechte für mich und etwas weniger Menschenrechte für die anderen. Bei Wertekonflikten seien drei Effekte feststellbar, führte der Konfliktforscher aus: (1) Für Wertekonflikte seien Menschen viel leichter zu mobilisieren. Gebe es bei einem Hausbau Konflikte, sei dies weit weniger problematisch, als wenn es sich um einen Moscheebau handle. (2) Menschen seien bei Wertekonflikten gewaltbereiter. Der Schritt von verbaler zu konkreter Gewalt sei oft klein. (3) Man wäre bei Wertekonflikten auch opferbereiter, da es um Identität und Existenz gehe.

Interessenskonflikte als Wertkonflikte aufladen
Mächtige hätten entdeckt, dass wenn es gelinge, Interessenskonflikte in Wertkonflikte zu transformieren, es viel einfacher sei, Beteiligung und Engagement zu erreichen. Neben den üblichen –ismen sei auch Religion ein oft genutzter Transformationsweg. Der Konflikt werde so mit den Kategorien „gut“ und „böse“ aufgeladen und befeuert. Gewalt werde als legitim dargestellt und die Opferbereitschaft nehme zu, etwa durch Selbstmordattentat. Religiös aufgeladene Konflikte seien gewalttätiger, dauerten länger und es bestehe weniger Kompromissbereitschaft, so Weingardt.

Beispiele friedensfördernder Initiativen von Religionen
Der 15 Jahre dauernde Bürgerkrieg in Mosambik sei nach riesigen Opferzahlen 1992 durch das Friedensabkommen von Rom beendet worden. Es sei vorwiegend vom römisch-katholischen Bischof Jaime Pedro Gonçalves, Erzbischof von Beira, vermittelt worden. Dass er keine zeitlichen, inhaltlichen noch militärischen Druckmittel angewendet habe, hätte es den Konfliktparteien erlaubt, nach und nach Vertrauen aufzubauen, erläuterte der Friedensforscher.

Ruanda
Beim Völkermord in Ruanda hätten sich die Muslime nicht beteiligt. Sie hätten durchschaut wohin die Propaganda führe und deshalb in ihren Schulen die Schüler gegen die Hasspropaganda immunisiert und im Konflikt Flüchtlinge aufgenommen und versteckt.

Philippinen
In den Philippinen sei Diktator Marcos 1986 maßgeblich durch den gewaltlosen Widerstand der römisch-katholischen Basisgemeinden gestürzt worden, weshalb man auch von der Rosenkranzrevolution spreche.

Kambodscha
Nach der Vertreibung von Pol Pot und der Roten Khmer in Kambodscha durch den Einmarsch der Vietnamesen sei die vierjährige Schreckensherrschaft beendet gewesen. Anschließend habe der buddhistische Mönch Maha Ghosananda in Flüchtlingslagern die Versöhnungsarbeit begonnen, Tempel und Klöster im Land aufgebaut, wo Menschen soziale Hilfe erhielten und Familien wieder zusammenfinden konnten.

Merkmale erfolgreicher religiöser Konfliktvermittlung
Drei Merkmale, zeichneten laut Weingardt erfolgreiche religiöse Vermittler aus: Sach- und Fachkompetenz bezüglich der Konflikte, Glaubwürdigkeit in Wort und Tat sowie Nähe zum Konflikt. Religiöse Vermittler profitierten von einem Vertrauensvorschuss, der ihnen Freiräume gebe, weil sie als ehrliche ungefährliche Makler wahrgenommen würden. Diese Friedenspotenziale der Religionen müssten erkannt, entwickelt und in Konflikten eingebracht werden, forderte der Friedens- und Konfliktforscher.

Nebst Markus A. Weingardt referierten Amira Hafner- Al Jabaji zum Thema „Muslime in der Schweiz oder Schweizer Muslime?“; Jörg Stolz sprach zur Frage: „Fördert Religion die Integration der Gesellschaft?“ und Genia Findeisen berichtete über „Die Rolle der Religionen in Indonesien“.

Unterlagen zur Fachtagung „Interreligiöse Friedensarbeit“ werden laut „mission 21“ auf der Website als Download bereitgestellt: www.mission-21.org

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