Südkorea: Verfassungsgericht erkennt Recht auf Kriegsdienstverweigerung an

Südkorea

© Grafik: Darwinek/Wikimedia Commons

Südkorea: Verfassungsgericht erkennt Recht auf Kriegsdienstverweigerung an

Offenbach | APD

Am 28. Juni hat das Verfassungsgericht von Südkorea das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkannt und die Regierung aufgefordert, bis Ende 2019 eine gesetzliche Regelung zu treffen, die Kriegsdienstverweigerern einen zivilen Alternativdienst ermöglicht. Seit 1950 mussten etwa 19.800 Kriegsdienstverweigerer Haftstrafen in südkoreanischen Gefängnissen auf sich nehmen. Ihre Haftdauer summiert sich auf insgesamt 36.000 Jahre. Auch 2018 ist Südkorea der Staat mit der weltweit höchsten Zahl inhaftierter Kriegsdienstverweigerer.

Mit der Entscheidung hat das Verfassungsgericht in Südkorea die Kriegsdienstverweigerung anerkannt und dem Gesetzgeber zugleich eine Frist bis Ende 2019 gesetzt, rechtliche Regelungen umzusetzen. Der Artikel 5 Abs. 1 des Militärdienstgesetzes sei verfassungswidrig, da er keinen alternativen Dienst für Kriegsdienstverweigerer vorsieht, informierte Connection e.V. in Offenbach. Der seit 1993 bestehende Verein tritt auf internationaler Ebene für ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein und arbeitet mit Gruppen zusammen, die sich gegen Krieg, Militär und Wehrpflicht engagieren.

Strafverfolgung noch nicht beendet
„Die Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung in Südkorea ist ein wichtiger Schritt, um die seit Jahrzehnten betreffende Strafverfolgung zu beenden“, erklärte Rudi Friedrich von Connection e.V. Das Gericht habe aber versäumt, eine klare Aussage zu den aktuell anhängigen Verfahren und den bereits inhaftierten Kriegsdienstverweigerern zu treffen. „Wir befürchten daher, dass die Strafverfolgung noch nicht beendet ist.“ Die Sorge um die weitere Strafverfolgung speise sich vor allem aus der Tatsache, dass das Verfassungsgericht mit dem Urteil zugleich den Artikel 88 Abs. 1 des Militärdienstgesetzes als verfassungskonform bestätigt habe, mit dem die Kriegsdienstverweigerer wegen „Entziehung vom Militärdienst ohne berechtigte Gründe“ in der Regel zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt worden seien. Damit wären, so Experten aus Südkorea, „sofortigen Rechtsmitteln für die Kriegsdienstverweigerer, die sich gegenwärtig vor Gericht oder im Gefängnis befinden, hohe Hürden gesetzt.“

Noch über 200 Kriegsdienstverweigerer im Gefängnis
In einer gemeinsamen Erklärung wiesen die südkoreanischen Organisationen Center for Military Human Rights Korea, Minbyun Lawyers for a Democratic Society, People's Solidarity for Participatory Democracy und World Without War zudem darauf hin: „Wenn man die vom Gericht vorgelegte Begründung in Betracht zieht, befinden sich derzeit mehr als 200 Verweigerer im Gefängnis, die nur ihre verfassungsmäßigen Rechte wahrgenommen haben.“ Sie forderten die Gerichte dazu auf, die noch angeklagten Kriegsdienstverweigerer freizusprechen. „Für Kriegsdienstverweigerer, die ihre Haft bereits verbüßt haben, sollte der Justizminister eine Amnestie erwägen und auch entsprechende Schritte für die noch inhaftierten Verweigerer einleiten. Die Militärverwaltung sollte zudem unverzüglich die unrechtmäßige Veröffentlichung von persönlichen Daten der Verweigerer beenden.“

Die Strafverfolgung von Kriegsdienstverweigerern in Südkorea hätte in den letzten Jahren dazu geführt, dass zunehmend südkoreanische Kriegsdienstverweigerer ins Ausland flüchteten und wegen der drohenden Verfolgung um Asyl nachsuchten, berichtete Connection. Der 2017 neu gewählte südkoreanische Staatspräsident Moon Jae-in habe in seinem Wahlkampf versprochen, eine Lösung für die Kriegsdienstverweigerer zu finden. Inzwischen würden immer mehr Gerichte in Südkorea Kriegsdienstverweigerer freisprechen. Das sei auch ein Grund, warum die Zahl der inhaftierten Verweigerer seit 2015 von 700 auf 200 fiel. Mit der hohen Zahl der inhaftierten Verweigerer wäre Südkorea einzigartig auf der Welt.

Erfolg durch Beharrlichkeit
Das Gerichtsurteil sei ein großer Erfolg für die zahlreichen südkoreanischen und internationalen Menschenrechts-Nichtregierungsorganisationen und -Institutionen, „die beharrlich über Jahrzehnte hin für die Rechte von Kriegsdienstverweigerern in Südkorea eingetreten sind“, betonte Friedhelm Schneider, Präsident des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) mit Sitz in Brüssel. Die Entscheidung, den Wehrdienst zu verweigern, habe schwerwiegende Folgen, denn damit gelte der Betreffende als vorbestraft. Er werde deshalb keinen Arbeitsplatz beim koreanischen Staat bekommen, auch alle Großbetriebe stellten keine Kriegsdienstverweigerer ein. Die konsequente Kriminalisierung südkoreanischer Verweigerer dauere bis in die Gegenwart an.

Gewissenskonflikt auch für südkoreanische Adventisten
Laut Holger Teubert, Ostfildern bei Stuttgart, Leiter des Referats Kriegsdienstverweigerung und Frieden der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, empfehle die Freikirchenleitung ihren wehrpflichtigen Mitgliedern weltweit als „Nichtkämpfer“ einen waffenlosen Dienst oder einen Zivildienst zu leisten. Wo dies nicht möglich sei, müsse jeder seine eigene Gewissensentscheidung treffen, ob er eine Waffe in die Hand nimmt. Da es in Südkorea Alternativdienste bis jetzt nicht gebe, kämen auch Adventisten immer wieder in einen Gewissenskonflikt. So seien beispielsweise die adventistischen Studenten Young-chul Yoon und Hwi-jai Lim wegen Kriegsdienstverweigerung ebenfalls zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Dasselbe gelte für fünf weitere Adventisten, welche als Reservisten bei Wehrübungen den Waffendienst verweigerten. Die adventistische Kirchenleitung in Südkorea fordere auch seit Jahren, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gesetzlich zu regeln.