Adventisten nehmen Stellung zur Aufhebung des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Symbolbild Helfende Hände

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Adventisten nehmen Stellung zur Aufhebung des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Hannover | APD

Der Präsident des Norddeutschen Verbandes der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, Pastor Johannes Naether (Hannover), hat in einer Kolumne für die April-Ausgabe der Zeitschrift „Adventisten heute“ zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar Stellung genommen. Mit dem Urteil hob das höchste deutsche Gericht das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in § 217 Strafgesetzbuch (StGB) als verfassungswidrig auf.

In der Kolumne befasst sich Naether mit der Behauptung: „Selbstbestimmtes Sterben ist Teil des Lebens, das sich die Menschen heute − zu Recht − wünschen.“ Der Freikirchenleiter erinnert daran, dass im § 217 StGB die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt wurde. Damit sollte eine gesellschaftliche Normalisierung von Sterbehilfe und deren Kommerzialisierung vermieden werden. Zusätzlich wäre es um den Schutz labiler Menschen vor interessengeleiteter Einflussnahme gegangen.

Sensibilität, Respekt und Einfühlungsvermögen erforderlich
Für Naether stelle sich die Frage: Werde aufgrund des Urteils künftig die Würde und der Wert des Menschen nach seiner Leistungsfähigkeit und seinem Nutzen für andere gemessen, sodass sich der Druck auf alte oder kranke Menschen erhöhe? Auch gelte zu bedenken: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wertet die persönliche Autonomie des Menschen in Artikel 1 und 2 unseres Grundgesetzes so stark, dass daraus ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben erwachse. Ein Recht, dass nicht nur kranke und alte Menschen besitzen, sondern auch Gesunde. Um dieses Recht zu garantieren bedürfe es geschäftsmäßiger Angebote der Suizidhilfe, so das BVerfG.

Es erfordere ein hohes Maß an Sensibilität, Respekt und Einfühlungsvermögen über die konkrete Option des Sterbens zu diskutieren, so Pastor Naether. „Wir reden über Menschen, die an einem maximal krisenhaften Moment ihres Lebens stehen und zunächst einmal das Recht haben, ernsthaft und respektvoll wahrgenommen zu werden.“ Grundsatzfragen stünden in der Gefahr, dass sie mit ideologischer Härte oder festgefügter Vorprägung geführt würden. „Unser Gegenüber ist aber der leidende Mensch, der in Freiheit sein Leben führt und auf der Suche nach einem Ausweg ist.“ Respekt und Einfühlungsvermögen schlössen jedoch nicht aus, „dass wir für diese Menschen Zeugen des Lebens sein dürfen“.

In diesem Sinne stimmt Johannes Naether mit der Aussage in der gemeinsamen Erklärung der Vorsitzenden der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung überein: „Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich gerade in der Art und Weise, wie wir einander Hilfe und Unterstützung sind. Daher setzen wir unsere Bemühungen fort, Menschen in besonders vulnerablen Situationen Fürsorge und Begleitung anzubieten.

Der Präsident der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten im Norddeutschen Verband ruft dazu auf: „Orientieren wir uns an dem Wirken Jesu, der Menschen in ihrer Freiheit respektierte und sich rückhaltlos für das Leben eingesetzt hat.“

Schmerzen lindern aber kein „Gnadentod“
Für die Siebenten-Tags-Adventisten sei „Sterben in Würde“ durchaus ein Thema, so der stellvertretende Pressesprecher der Freikirche in Deutschland, Holger Teubert. Ihr Advent-Wohlfahrtswerk (AWW) unterhalte zur Begleitung schwer kranker, sterbender Menschen und ihrer Angehörigen Hospize in Uelzen und Lauchhammer im Süden Brandenburgs, sowie einen ambulanten Hospizdienst mit „Trauercafé“ in Berlin-Charlottenburg. Schon 1992 habe der Exekutivausschuss der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Adventisten eine „Konsenserklärung über die Betreuung Sterbender“ beschlossen. Aus ihr gehe hervor, dass die Freikirche einen ethischen Unterschied mache zwischen dem Verzicht auf lebensverlängernde medizinische Maßnahmen, die nur das Leiden verlängern und den Tod hinauszögern, und dem Eingreifen mit dem Ziel, das Leben des Patienten aktiv zu beenden. So sei es nicht notwendig, alle nur möglichen medizinischen Behandlungen vorzunehmen oder anzubieten, die lediglich den Vorgang des Sterbens verlängerten.

In der Konsenserklärung der adventistischen Weltkirchenleitung heiße es unter anderem: „Obwohl die christliche Liebe dazu führen kann, medizinische Maßnahmen, die Leiden vergrößern oder das Sterben verlängern, zurückzuhalten oder zu beenden, praktizieren Siebenten-Tags-Adventisten jedoch keinen „Gnadentod“ oder Hilfe zur Selbsttötung.“ Ergänzend werde, laut Teubert, hervorgehoben: „Die christliche Barmherzigkeit schließt Hilfe für Leidende ein. Beim Dienst an Sterbenden gehört es zur christlichen Verantwortung, Schmerzen und Leiden so weit wie möglich zu lindern. Das schließt jedoch nicht die aktive Sterbehilfe ein.“