Jüdisches Institut fordert Anspruch auf Arbeitsruhe am Sabbat

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Jüdisches Institut fordert Anspruch auf Arbeitsruhe am Sabbat

Berlin | APD

Das jüdische Tikvah Institut (Berlin) kritisiert, dass die Feiertagsgesetzgebung in Deutschland einem christlichen Feiertagsverständnis folge und die jüdische Religionspraxis nicht mitdenke. Sein Mitgründer und Geschäftsführer, Volker Beck, fordert entsprechende Änderungen der Feiertagsgesetzgebung.

Am 6. November fand in Berlin die öffentliche Tagung „Gut Schabbes? Chag Sameach! Religionsfreiheit und Respekt für die Arbeitsruhe an Schabbat und jüdischen Feiertagen“ statt. Religionsverfassungsrechtler, jüdische und christliche Theologen diskutierten Politikern darüber, welche Veränderungen im Feiertagsrecht notwendig seien, damit sich jüdisches Leben hierzulande diskriminierungsfrei entfalten könne. Organisiert wurde die Tagung von der Experteninitiative Religionspolitik (EIR), der Jüdischen Studierendenunion Deutschland und der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie dem Tikvah Institut.

In einer Pressemitteilung des Tikvah-Instituts wird sein Geschäftsführer, der ehemalige religionspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Volker Beck, mit der Forderung zitiert: „Die Feiertagsgesetze der Bundesländer müssen endlich klarstellen, dass Jüdinnen und Juden an Schabbat und den Hohen Feiertagen einen Anspruch auf Arbeitsruhe haben.“

Probleme mit Prüfungsterminen am Sabbat

Das Tikvah Institut führt als Beispiel die Probleme an, die sich ergeben, wenn an Hochschulen Prüfungtermine oder Pflichtveranstaltungen auf einen Samstag fallen. Hier gebe es in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen, führte die jüdische Theologin Hannah Rubin auf der Tagung aus. Beispielsweise gebe es in Thüringen keinerlei Regelungen, während es das Land Baden-Württemberg einen Staatsvertrag mit dem Judentum abgeschlossen habe, der Menschen jüdischen Glaubens zumindest für den Gottesdienstbesuch freistellt. Auch Bayern und Berlin wurden ebenfalls als positive Beispiele genannt. So sei beispielsweise in Berlin gewährleistet, dass jüdische Kinder und solche, deren Eltern der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten angehören, in Schulen von Verpflichtungen freigestellt seien, die an einem Samstag stattfinden. Im Unterschied zu Mitgliedern anderer Kirchen begehen die Siebenten-Tags-Adventisten ihren wöchentlichen Ruhetag (Sabbat) gemäß der Bibel am Samstag und geraten daher, ähnlich wie Menschen jüdischen Glaubens, zuweilen in Konflikt mit schulischen oder anderen Pflichtterminen, die auf diesen Tag fallen.

„Christliches Feiertagsverständnis macht andere zu Bittstellern“

Zwar schützt die deutsche und europäische Rechtsprechung grundsätzlich die freie Religionsausübung, zu der auch die Beachtung eines religiös begründeten Arbeitsverbots am Sabbat und an hohen jüdischen Feiertagen gehört. Jedoch folge die Feiertagsgesetzgebung in den Bundesländern weitgehend dem christlichen Feiertagsverständnis, was Angehörige anderer Religionen zu Bittstellern mache, wurde auf der Tagung bemängelt. „Trotz 1700 Jahre jüdischem Leben in Deutschland, denken sie jüdische Religionspraxis nicht mit. Zwar sind die hohen jüdischen Feiertage in manchen Feiertagsgesetzen der Bundesländer teilweise erwähnt – gewährleistet wird aber allenfalls der Besuch des Gottesdienstes. Keines der Gesetze schützt die jüdische Religionspraxis umfassend. Die für Jüdinnen und Juden geltenden Regelungen finden sich zum Teil an anderer Stelle“, so die Pressemitteilung des Tikvah Instituts.

Darin wurde auch der Vorschlag von Rabbiner Daniel Fabian zitiert, Prüfungen allgemein nur an Wochentagen (Montag bis Freitag) abzuhalten. Zudem könne nach seinen Worten ein zentraler Kalender mit den Feiertagen der Religionen Abhilfe schaffen.

Am Ende der Tagung wurde die Hoffnung formuliert, dass diese nicht folgenlos bleibe und das Judentum nicht nur anlässlich von Gedenktagen – wie beispielsweise dem 9. November – als bedeutsam für die Gesellschaft in Deutschland bezeichnet werde.

Tikvah Institut

Das als gemeinnützig anerkannte Institut ist nach dem hebräischen Wort für Hoffnung „Tikvah“ benannt. Es wurde im Sommer 2020 von Deidre Berger und Volker Beck in Berlin gegründet und versteht sich als Scharnier zwischen Wissenschaft und Bildung im Bereich der Antisemitismusbekämpfung. Das Institut möchte ein breiteres Verständnis für jüdische Geschichte und jüdisches Leben, eine Sensibilisierung für alle Formen des Antisemitismus und einen respektvollen Umgang mit dem jüdischen und demokratischen Staat sowie Kenntnisse der pluralen israelischen Zivilgesellschaft und ihrer Kontroversen fördern.