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VENRO: Beim Wiederaufbau der Ukraine muss die Zivilgesellschaft beteiligt werden

Der Wiederaufbau der Ukraine nach der gezielten Zerstörung der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur und massiven Kriegsverbrechen sei eine Mammut-Aufgabe, erklärte Mathias Mogge, Vorstandsvorsitzender von VENRO. Um die Kriegsfolgen zu bewältigen, reiche es nicht aus, die zerstörte Infrastruktur wiederaufzubauen. Ebenso wichtig sei es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Land zu stärken.

„Psychosoziale Folgen und Traumata des Krieges müssen überwunden und Konflikte zwischen Vertriebenen und Aufnahmegemeinden oder Bewohnenden ehemals besetzter Gebiete gelöst werden“, führt Mogge aus. Der Wiederaufbau könne nur dann gelingen, wenn die ukrainische Regierung auch die Zivilgesellschaft nach dem Krieg umfassend stärkt. Einschränkungen der Demonstrations- und Meinungsfreiheit aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation müssten wieder aufgehoben und Korruption effektiv vorgebeugt werden. Dafür sei es notwendig, dass nationale Nichtregierungsorganisationen und ihre Netzwerke ihre Kontrollfunktion gegenüber dem Staat wahrnehmen könnten.

Um die sozialen Folgen des Krieges zu bewältigen und Kriegsverbrechen aufzuarbeiten, komme der Zivilgesellschaft eine zentrale Funktion zu. „Initiativen auf lokaler Ebene müssen gezielt beim Wiederaufbau eingebunden und finanziell gestärkt werden“, betonte Mogge.

Zu VENRO

VENRO ist der Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen (NRO). Ihm gehören rund 140 deutsche NRO an, die in der privaten oder kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit, der Humanitären Hilfe sowie der entwicklungspolitischen Bildungs-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit tätig sind. Informationen: www.venro.org.

Die Adventistische Entwicklungs- und Katastrophenhilfe ADRA Deutschland ist Gründungsmitglied von VENRO. ADRA Deutschland e.V. wurde 1987 als unabhängige Nichtregierungsorganisation von der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten gegründet. Das deutsche Büro mit rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern befindet sich in Weiterstadt bei Darmstadt. ADRA Deutschland hilft Ukraine-Flüchtlingen in der Bundesrepublik und unterstützt in Zusammenarbeit mit anderen ADRA-Landesbüros die Arbeit von ADRA Ukraine in dem vom Krieg betroffenen Land. Informationen: www.adra.de.




Buchrezension: Stefan Thurner „Die Zerbrechlichkeit Der Welt – Kollaps oder Wende. Wir haben es in der Hand.“

Die Uhr tickt, Weltuntergangstimmung: Finanzkrisen, Klimaerwärmung und der Zusammenbruch der Zivilgesellschaft bedrohen die moderne Zivilisation. Stefan Thurner, promovierter Physiker, Ökonom und Leiter des Complexity Science Hub Vienna, will mit seinem neusten Buch frische Ansätze zur Bewältigung der drohenden Krisen aufzeigen. Dabei bezieht er sich als Komplexitätsforscher auf die Wissenschaft komplexer Systeme, die stabil und zerbrechlich zugleich sind. Denn zu gegebener Zeit nähern sich diese Systeme gewissen Tipping Points, die das System beim Überschreiten unweigerlich kollabieren lassen. Chaos und Neustrukturierung sind die Folge.

Zum Inhalt
Auf 272 Seiten führt der Autor in sieben Kapiteln in die Welt der komplexen Systeme ein und zeigt deutlich ihre Zerbrechlichkeit auf. Thurner belegt dies mit historischen Beispielen, wie dem Untergang des Römischen Reiches, der Rapa Nui auf den Osterinseln oder den Maya. Dann widmet er sich den heutigen großen gesellschaftskonstituierenden Systemen wie dem Finanzsystem, dem Ökosystem und der Demokratie und zeigt auf, welche Warnsignale für deren akute Zerbrechlichkeit bereits zu erkennen sind. Alarmsignale seien etwa die Finanzkrise 2008, die Erderwärmung, Artensterben, National-Populismus, digitale Diktatur und Filterbubbles.

Gerahmt werden diese düsteren Aussichten von einem positiven Blick. Der Autor ist überzeugt, dass durch Sammlung, Speicherung und Auswertung von Daten, Fortschritt und Wissenschaft, heutige Tipping Points noch rechtzeitig erkannt und korrigiert werden können. Doch gleichzeitig schränkt er ein, „soweit dies überhaupt möglich ist“ (S. 239). Wenn Wissenschaft und Politik optimal zusammenarbeiteten, bestünde prinzipiell Hoffnung (S. 235) auf eine positive Zukunft. Kollektives, proaktives Handeln sei gefragt und Ideologie, Religion, Macht und Autorität werden dabei als Lösungsstrategien kategorisch ausgeschlossen. Allerdings wird der Mensch zum Schluss des Buches trotzdem aufgefordert, ein digitaler Humanist zu werden.

Für den Lesenden
An einer besseren Welt haben sich schon viele Autoren, Wissenschaftler, Techniker und Künstler versucht und diverse Ideen hervorgebracht. Die Lage ist ernst, das wissen wir alle. Die Probleme wachsen und werden zunehmend nicht nur komplizierter, sondern auch komplexer. Die Überzeugung, dass zur Rettung der Welt “ausschließlich“ (S. 23) die Zusammenarbeit einzelner Disziplinen, weitere Forschung und Big Data gehören, klingt ein wenig simpel und nach Märchen. Modern erzählt eben. Die Lösung für unsere Krisen liegt eben nicht auf der Hand, sondern muss vielleicht auch idealistische und metaphysische Ansätze miteinschließen. Wer dies im Blick behält wird jedoch dieses Buch mit Gewinn lesen.

Claudia Mohr

Die Rezension kann als Dokument heruntergeladen werden:
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