Opfer und Bischof sprechen über sexuelle Gewalt in der katholischen Kirche

Osnabrück | APD

Osnabrück, 24.05.2008/APD Es ist eine seltene Gelegenheit: Jenseits der großen Diskussionspodien des Deutschen Katholikentages in Osnabrück setzt sich ein Bischof mit einem Mann an einen Tisch, dem zwei Priester jahrelang sexuelle Gewalt antaten. Auf Einladung der "Initiative Kirche von unten" (IKvu) macht die intensive 90-minütige Diskussion in einem Gemeindesaal schnell klar, dass sexuelle Gewalt große Verletzungen anrichten, ja ein Leben zerstören kann.

Norbert Denef schildert bewegend, was er als Kind erleiden musste: Dass er sich 35 Jahre lang im Schweigen vergrub und dass er seit der Aufdeckung der Verbrechen dennoch nicht zur Ruhe kommt. "Das Schweigen und Zudecken der Kirche geht weiter, der Priester, der mir Gewalt antat, ist noch immer nicht verurteilt", lautet seine Anklage.

Angesichts der schlimmen Vorwürfe hat es der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke schwer, die Linie der Kirche zu beschreiben und zu verteidigen. "Wir haben das Tabu sexueller Gewalt zu spät gebrochen. Und wir müssen jetzt entschieden gegen das Verschweigen kämpfen, Opfern helfen und alles tun, damit es keinen sexuellen Missbrauch in unseren Reihen gibt", fasst Jaschke seine Überzeugung zusammen. Das mit Zwischenrufen couragiert mitdiskutierende Publikum im vollen Gemeindesaal bezweifelt allerdings, dass diese Linie immer und überall mit Konsequenz in die Tat umgesetzt wird.

Die Vorsitzende der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG), Ute Theisen, prangert denn auch an, dass schuldig gewordene Priester häufig nur versetzt, aber nicht vollständig vom Dienst ausgeschlossen würden. "Bei Fällen von sexueller Gewalt gegen Kinder in unserem Verband sind wir radikal. Diese Leute haben bei uns nichts mehr verloren", sagt die 33-Jährige, in deren Jugendverband rund 20.000 erwachsene Betreuer mitarbeiten. Ausschluss vom Beruf, strafrechtliche Verfolgung, Hilfe für die Opfer – in der Theorie wird dieses Vorgehen von allen Betroffenen unterstützt.

Doch nicht nur die Landshuter Erziehungswissenschaftlerin Mechthild Wolff kritisiert die Institution Kirche wegen mangelnder Umsetzung. "Natürlich hat die Deutsche Bischofskonferenz mittlerweile, wenn auch zu spät, Richtlinien zum Umgang mit pädophilen Übergriffen verabschiedet. Aber ein Papier von oben ändert nicht automatisch die Realität vor Ort." Zusätzlich müsse mehr Öffentlichkeit und Transparenz her, damit das für die Betroffenen mit großem Leid und Verletzungen verbundene Thema tatsächlich auf die Tagesordnung gelangt. "In der Kirche gibt es einfach noch viel zu viele Tabus, was etwa sexuelle Gewalt oder homosexuelle Priester angeht."
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