Maßnahmen gegen Finanzkrise helfen nur Banken und Unternehmen

Genf/Schweiz | APD

ÖRK-Zentralausschuss-Vorsitzender Altmann: Hauptleidtragende sind die "Ärmsten der Welt"

Genf/Schweiz, 26.08.2009/APD Deutliche Kritik an den Maßnahmen zur Bewältigung der weltweiten Finanzkrise übte der Vorsitzende des Zentralausschusses des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) und Präsident der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien, Pfarrer Dr. Walter Altmann, zum Auftakt der Tagung des ÖRK-Zentralausschusses am 26. August in Genf. Nachdem Finanzspekulationen und die Ideologie eines Wirtschaftsliberalismus die Welt in eine "Finanzkrise katastrophalen Ausmaßes" gerissen haben, seien die "Ärmsten der Welt" die Hauptleidtragenden der Krise.

Altmann kritisierte, dass seitdem 100 Millionen Menschen in die Armut getrieben worden seien und das Hungerproblem sich weltweit erheblich verschärft habe. Gleichzeitig seien außerordentlich große Finanzmittel für die Rettung von Banken und großen Unternehmen zur Verfügung gestellt worden, "die nie vorhanden zu sein scheinen oder bereitgestellt werden, wenn es um die Bekämpfung des Hungers in der Welt geht".

Die Überzeugung, dass Globalisierung und freier Markt weltweiten Wohlstand schaffen könnten, verliere zwar an Boden, so Altmanns Beobachtung, doch er könne keine Anzeichen dafür entdecken, dass das "Ungleichgewicht und Unrecht" in der Weltwirtschaftsordnung behoben werde. Vielmehr befürchte er ein Comeback des Neoliberalismus nach dem Ende der Rezession.

Im Blick auf die ökumenische Bewegung biete diese Tagung des Zentralausschusses nach Altmanns Einschätzung die Chance, auf die dramatischen Veränderungen der religiösen Landschaft angemessen zu reagieren. Die im ÖRK zusammengeschlossenen Kirchen könnten nicht mehr in gleicher Weise wie früher davon ausgehen, die nicht-katholische Weltchristenheit zu repräsentieren. Nur wenige der neuen und schnell wachsenden Pfingstkirchen seien Mitglieder im ÖRK oder zeigten Interesse am Dialog mit dem ÖRK.

Gleichzeitig erinnerte Altmann daran, dass selbst in der nicht-kirchlichen Öffentlichkeit der konstruktive Beitrag der ökumenischen Arbeit beispielsweise bei der Überwindung der Apartheid in Südafrika, dem Ende der Diktaturen in Lateinamerika oder der Überwindung der Spaltung Europas ausdrücklich gewürdigt werde.

Die Entstehung des "Globalen Christlichen Forums" im Jahr 2007 ist nach Altmanns Worten ein Beleg für einen "neuen Ansatz in der Ökumene, der orthodoxe, römisch-katholische anglikanische, reformatorische, pfingstliche und evangelikale Kirchen sowie christliche Netzwerke und parakirchliche Organisationen einbezieht". Jetzt gelte es, der Frage nachzugehen, wie die ökumenische Bewegung – jenseits der Bedürfnisse der eigenen Institution – einer Welt voller neuer Gräben eine Vision bieten könne.

Im Blick auf die Entscheidungen, die von den 150 stimmberechtigten Mitgliedern des ÖRK-Zentralausschusses in den nächsten Tagen zu treffen sind, sei die für morgen geplante Wahl des neuen Generalsekretärs für die Zukunft des ÖRK und seiner Mitgliedkirchen von elementarer Bedeutung, betonte Altmann. Schließlich präge die Amtsführung des Generalsekretärs ganz entscheidend die Wahrnehmung des ÖRK. Darüber hinaus werde der Zentralausschuss in seiner Tagung über den Veranstaltungsort der Vollversammlung der ÖRK im Jahr 2013 entscheiden, kündigte Altmann an.

Der ÖRK-Zentralausschuss, der alle 12 bis 18 Monate tagt, ist das wichtigste Entscheidungsorgan des Rates zwischen den Vollversammlungen. Dieses ist die dritte Tagung des Zentralausschusses, der im Februar 2006 von der 9. ÖRK-Vollversammlung in Porto Alegre (Brasilien) gewählt wurde. Der Ökumenische Rat der Kirchen mit Sitz in Genf fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. Er wurde 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet. Heute gehören dem kirchlichen Dachverband mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Viele der kleineren Kirchen der evangelikalen und pfingstlichen Traditionen sind keine Mitglieder des ÖRK. Auch christliche Weltgemeinschaften, wie die römisch-katholische Kirche, die Siebenten-Tags-Adventisten und die Heilsarmee (sie trat 1978 aus), gehören dem Ökumenischen Rat der Kirchen nicht an, unterhalten aber Arbeitsbeziehungen, indem sie als Berater und Beobachter an seinen Sitzungen und Konferenzen teilnehmen.
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