"Ohne Montagsdemonstration keine kirchlichen Hochschulen in der DDR“

Friedensau bei Magdeburg | APD

Hochschule Friedensau verleiht 28 Absolventen akademische Grade

Friedensau bei Magdeburg, 11.10.2010/APD "Was habe ich schon getan?“ Diese Frage stellte Professor Dr. Dr. Hans-Joachim Meyer als er gebeten wurde, die Festansprache zur Verleihung der akademischen Grade der Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten am 10. Oktober zu halten. Der Rektor der Hochschule, Professor Johann Gerhardt, erinnerte bei der Begrüßung des Festredners, dass Meyer von April bis Oktober 1990 im Kabinett de Maizière Minister für Bildung und Wissenschaft der DDR war. In dieser Eigenschaft habe er am 15. September 1990 die Urkunde zur staatlichen Anerkennung von Friedensau als Hochschule unterschrieben.

Außerdem hob Gerhardt hervor, dass der von 1990 bis 2002 amtierende Sächsische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst selbst 1958 als Christ wegen "mangelnder Verbindung zur Arbeiterklasse“ an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam exmatrikuliert wurde. Nachdem er im VEB Lokomotivbau Potsdam-Babelsberg gearbeitet hatte, konnte er an der Berliner Humbold-Universität Anglistik und Geschichte studieren und als Diplom-Philologe abschließen. 1971 promovierte er zum Dr. phil. und 1981 folgte die Habilitation. Seit 1985 war er außerordentlicher Professor für angewandte Sprachwissenschaften an der Humbold-Universität.

In seiner Festansprache betonte Professor Meyer, dass es ohne die große Leipziger Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989, welche die Sicherheitskräfte nicht gewaltsam beenden wollten, keine staatliche Anerkennung kirchlicher Hochschulen gegeben hätte. Durch das Zurückweichen des Staates und weiterer Großdemonstrationen sei der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 die Folge gewesen. Seit dieser Zeit habe in der DDR das Thema Bildung zu den stark diskutierten Bereichen gehört. Es sollte jetzt auch Schulen und Hochschulen in Freier Trägerschaft geben. Deshalb wäre es notwendig gewesen, eine vorläufige Hochschulordnung zu schaffen, da sich die neuen Bundesländer nicht sofort um das Hochschulwesen hätten kümmern können.

Als Minister für Bildung und Wissenschaft der DDR sei es für Meyer eine "Ehrenpflicht gewesen, das Unrecht zu beseitigen, welches den kirchlichen theologischen Ausbildungsstätten zugefügt worden war“. Obwohl diese Seminare ein mit den staatlichen Universitäten vergleichbares Bildungsniveau gehabt hätten, seien deren akademische Grade nicht vom DDR-Staat anerkannt worden. Deshalb stelle auch das Inkrafttreten der vorläufigen Hochschulordnung am 18. September 1990 ein wichtiges Datum dar; ebenso der 3. Oktober 1990 als Tag der Deutschen Einheit.

Warum werde nur in Friedensau an das 20-jährige Jubiläum der staatlichen Anerkennung als Hochschule gedacht?, fragte Meyer. Die Antwort: "Friedensau ist die einzige damals staatlich anerkannte theologische Einrichtung, die heute noch besteht.“ Die evangelischen und katholischen theologischen Seminare seien in der DDR als "Schöpfungen in der Not“ gegründet worden. Nach der Deutschen Einheit habe diese Not nicht mehr bestanden und sie hätten sich mit den staatlichen theologischen Fakultäten vereinigt und sie dadurch bereichert. Friedensau sei dagegen keine Notgründung in DDR-Zeiten gewesen, sondern bestehe bereits seit 1899. Die Bildungsstätte habe stets ihre Eigenständigkeit bewahren können. Wichtig sei jedoch, dass eine theologische Einrichtung in die Gesellschaft hineinwirke und nicht abgehoben von der Gesellschaft nur für sich existiere.

Rektor Gerhardt dankte Professor Meyer für seine Worte und betonte, dass es in Friedensau nicht nur einen Fachbereich gebe. Zur Hochschule gehöre von Anfang an neben Theologie der Fachbereich Christliches Sozialwesen, der heute die meisten Studenten umfasse. Es könne nicht darum gehen, in einem abgeschiedenen "Elfenbeinturm“ zu studieren, sondern eine Hochschulbildung müsse in der Gesellschaft verwurzelt sein. Hierbei würden sich in Friedensau Theologie und Sozialwesen gegenseitig bereichern.

Die Theologische Hochschule verlieh 28 Absolventen des Studienjahres 2009/2010 die akademischen Grade Bachelor of Arts in Theology, Master of Arts in Theology, Diplom-Theologe und erstmals den Master of Arts in Theological Studies. Außerdem: Bachelor of Arts in Social Work, Master of Arts in Counseling, Master of Arts in International Social Sciences und Master of Arts in Sozial- und Gesundheitsmanagement. Die Absolventen kommen aus Deutschland, Brasilien, Serbien, den Philippinen und Tansania. An der Hochschule sind rund 190 Studenten immatrikuliert.
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