Initiatorin der "Babyklappe" in Berlin-Zehlendorf mit Verdienstmedaille geehrt

Berlin | APD

Berlin, 09.11.2011/APD Pastorin Gabriele Stangl, Seelsorgerin des adventistischen Krankenhauses "Waldfriede" in Berlin-Zehlendorf, erhielt in Berlin von dem Bürgermeister des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, Norbert Kopp, die von Bundespräsident Christian Wulff verliehene Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Das Bezirksamt begründete in einer Pressemitteilung die Ehrung, wie folgt: "Frau Stangl setzte sich in beeindruckender Weise für Frauen in psychosozialer Not und deren Babys ein: Sie initiierte im Jahr 2000 die ´Babyklappe‘ im Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf, in der verzweifelte Mütter anonym ihre Babys abgeben können."

1961 in Braunau am Inn/Österreich geboren, unterrichtete die studierte Theologin und Pädagogin am österreichischen Theologischen Seminar Schloss Bogenhofen der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten Hebräisch, alttestamentliche Fächer und Deutsch für Ausländer, bevor sie Seelsorgerin im adventistischen Seniorenheim "Haus Wittelsbach" im oberbayerischen Bad Aibling und seit 1996 im Krankenhaus "Waldfriede" in Berlin wurde. Die private Laienorganisation "Association of Adventist Women" (Verband adventistischer Frauen) in Seattle/US-Bundesstaat Washington hatte schon vor drei Jahren Gabriele Stangl zur "Frau des Jahres 2008" gekürt.

Bernd Quoß, Geschäftsführer des Krankenhauses "Waldfriede" würdigte die "schwere Aufbauarbeit" der „Babyklappe“ durch Pastorin Stangl, die mit der Ordensverleihung nun auch die öffentliche Anerkennung gefunden habe. Er betonte, dass die Seelsorgerin diese Arbeit fast ausschließlich in ihrer Freizeit geleistet habe und dabei auch auf vielerlei Widerstand gestoßen sei.

Die "Babywiege", wie die "Babyklappe" in "Waldfriede" genannt wird, ist ein grasgrüner Kasten. Er befindet sich uneinsehbar an der Rückseite des Hauses A der Klinik und ist durch einen ausgeschilderten, nicht videoüberwachten Eingang erreichbar. Wenn eine Mutter die Klappe öffnet und ihr Neugeborenes in das Wärmebett legt, lösen Sensoren zeitverzögert einen Alarm im ständig besetzten Pförtnerhaus aus, sodass die Mutter genügend Zeit hat, das Gelände unerkannt zu verlassen, berichtete Stangl. Das Baby werde sofort auf die Säuglingsstation gebracht und medizinisch versorgt. "Das vom Krankenhaus informierte Jugendamt übergibt es dann der Obhut einer speziell ausgebildeten Pflegefamilie." Die Mutter dürfe während der nächsten acht Wochen ihr Kind zurücknehmen. Geschehe das nicht, werde es zur Adoption freigegeben.

Den Anstoß, die erste Babyklappe an einer Klinik in Deutschland einzurichten, habe Pastorin Stangl durch ihre Arbeit als Krankenhausseelsorgerin erhalten. "Eine 80-jährige Patientin sprach erst auf dem Sterbebett über die Tötung ihres Kindes. Eine andere Frau musste das Krankenhaus hochschwanger wegschicken, weil sie nicht bereit war, ihre Identität preiszugeben. Als ich hörte, dass in Hamburg eine Babyklappe einrichtet wird, kam mir die Idee, dass ein Krankenhaus am besten für so etwas geeignet ist." Sie habe Mitstreiter nicht nur in der eigenen Klinik, sondern auch bei den zuständigen Behörden gefunden, meinte Stangl.

In den letzten zehn Jahren seien etwa 20 Neugeborene in die "Babywiege" gelegt worden, und rund 110 Frauen hätten im Krankenhaus anonym entbunden. "Doch 95 Prozent der Frauen, die bei uns anonym entbinden, haben nach intensiver Beratung den Mut, ihre Anonymität aufzugeben", betonte Pastorin Stangl. Nicht selten würden sich nach einigen Monaten auch Mütter melden, die ihre Kinder in die "Babywiege" gelegt hätten. Ein Drittel der Frauen behalte schließlich das Neugeborene. Doch auch die meisten anderen Frauen, die ihr Baby zur Adoption freigäben, wollten, dass es später erfahre, wer ihre Mutter sei. Das Durchschnittsalter jener Frauen liege zwischen 27 und 34. "Alle haben große Angst, dass ihre Schwangerschaft aus den verschiedensten Gründen bekannt werden könnte", teilte die Krankenhausseelsorgerin mit.

Das seit 1920 bestehende Akutkrankenhaus "Waldfriede" verfügt über 170 Betten und versorgt mit den Fachabteilungen Allgemeinchirurgie, Anästhesie, Brustzentrum, Gynäkologie und Geburtshilfe, Hand- und Fußchirurgie, Innere Medizin, Interdisziplinäres Beckenbodenzentrum, Intensivmedizin, Radiologie und den Zentren für Darm- und Beckenbodenchirurgie (Koloproktologie) sowie Diabetes und Diabetisches Fuß-Syndrom jährlich 9.000 Patienten stationär und 18.000 ambulant. Im letzten Jahr kamen dort rund 900 Babys zur Welt.

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