"Es ist ein Wunder, dass sich immer mehr Menschen um Pflegebedürftige kümmern"

Kassel | APD

3. Christlicher Gesundheitskongress in Kassel eröffnet

Kassel, 22.03.2012/APD "Christen, die im Gesundheitswesen aktiv sind, und Christen, die ehrenamtlich in Kirchengemeinden begleitend wirken, wollen miteinander und voneinander lernen", betonte Dr. Georg Schiffner zu Beginn des Christlichen Gesundheitskongresses im Kongresspalais Kassel. "Es geht uns vor allem um eine Ermutigung der Teilnehmer", ergänzte die Pflegewissenschaftlerin Annette Meussling-Sentpali.

Der 3. Christliche Gesundheitskongress in Kassel vom 22. bis 24. März verzeichnet etwa 1.400 Teilnehmer. Davon ist rund ein Viertel Mediziner und ein Drittel kommen aus pflegerischen Berufen. Die übrigen sind haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende aus den unterschiedlichsten Bereichen.

Der Psychiater Professor Dr. Klaus Dörner (Hamburg) eröffnete den Vormittag mit dem Vortrag "Sehnsucht nach dem perfekten Menschen". Er machte deutlich, dass die Vorstellung eines perfekten Menschen im Schwinden sei. "Wir haben davon geträumt, eine leidensfreie Gesellschaft zu schaffen", doch der medizinische Fortschritt führe bei immer mehr Menschen zum Leben mit einer Demenz oder als chronisch Kranker. Dabei könne unser Gesundheitssystem nicht mehr durch professionelle Helfer allein aufrechterhalten werden. "Es ist ein Wunder, dass sich immer mehr Menschen freiwillig um Pflegebedürftige kümmern", betonte Dörner und verwies auf die wachsende Zahl von ehrenamtlichen Aktivitäten. Seit den 1980er Jahren wachse diese Form bürgerschaftlichen Engagement. Der Psychiater regte an, dass zum Beispiel Arztpraxen mit Nachbarschaftsinitiativen zusammenarbeiteten.

Die Berliner Pfarrerin Geertje-Froken Bolle berichtete im Kongresspalais, wie Kirchengemeinden auf die Herausforderung durch die zunehmende Zahl Demenzkranker reagieren könnten, indem sie das Modell von Gottesdiensten für Menschen mit Demenz in Berlin vorstellte. Sie plädierte dafür, demente Menschen im Gottesdienst willkommen zu heißen. "Eine Rampe zu bauen, ist oft leichter, als dementen Besuchern eine Teilnahme am Gottesdienst zu ermöglichen." Im Gottesdienst müssten sich Menschen zu Hause fühlen. Hier müsse die Nähe Gottes und der Menschen erfahrbar werden. "Jeder soll in seiner Unverwechselbarkeit wertgeschätzt werden."

Dr. Gisela Schneider vom Deutschen Institut für ärztliche Mission in Tübingen berichtete von dem Modellprojekt "Bündnis gegen Depression". Das Tübinger Institut versuche, Erfahrungen aus Afrika und Asien für den deutschen Kontext zu nutzen. Dort gebe es auch in Situationen, die niederschmetternd sein könnten, eine große Widerstandskraft. Der Grund: In Afrika und Asien wirke sich die Gemeinschaft untereinander, auch in einer christlichen Gemeinde, heilend aus. "Wir können der Pandemie Depression wirksam begegnen, von der allein in Deutschland vier Millionen Menschen betroffen sind." Dabei werde Depression durch die Bedingungen der modernen Gesellschaft gefördert, die besonders durch Selbstbezogenheit geprägt sei. Gisela Schneider warb darum, dass Kirchengemeinden zur Aufklärung beitrügen, ein soziales Netz knüpften und Orte der Gottesbegegnung gestalteten.

Professor Dr. Bernd Raffelhüschen (Freiburg), der sich mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens befasst, appellierte an die Kirchen, die Herausforderungen des demographischen Wandels anzunehmen. Die starke Zunahme alter Menschen bei gleichzeitig abnehmender Zahl der Erwerbstätigen führe zu einer stark veränderten Zusammensetzung. Die sehr günstigen Voraussetzungen für ein längeres Leben verstärkten den Effekt. Dadurch entstünde ein finanzieller Engpass, der zu Verteilungskonflikten führen werde. "Von drei Viertel der Kongressteilnehmer ist anzunehmend, dass sie pflegebedürftig werden."

Dass das menschliche Leben begrenzt sei und daher Heilung immer nur einen Aspekt des Lebens darstellen könne, erläuterte Dr. Eckhard Frick, Professor für Spiritualität, an der Universität München. Ihm gehe es darum, dass künftige Ärzte die spirituellen Bedürfnisse ihrer Patienten in den Blick bekämen. Er plädierte dafür, dass neben dem heilenden Aspekt medizinischer Behandlung auch der begleitende ausgebaut werde.
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