Siebenten-Tags-Adventisten im Ersten Weltkrieg

Friedensau bei Magdeburg | APD

Wissenschaftliches Symposium der Theologischen Hochschule Friedensau

Friedensau bei Magdeburg, 19.05.2014/APD Das "Institut für Geschichte und Theologie“ der adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg führte mit 50 Teilnehmern aus elf Staaten und 20 Referenten aus zwölf Ländern vom 12. bis 15. Mai das wissenschaftliche Symposium "The Impact of World War I on Seventh-day Adventism“ (Die Wirkung des Ersten Weltkriegs auf den Siebenten-Tags-Adventismus) durch. Dabei ging es um das Verhalten der internationalen Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten vor einhundert Jahren im Ersten Weltkrieg.

Keine Pazifisten, sondern "Nichtkämpfer“
In seinem Einführungsreferat zur Thematik stellte Dr. George R. Knight (Rogue River, Oregon/USA), emeritierter Professor und Historiker, fest, dass das Verhalten der Adventisten zum Militär im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) geprägt worden sei. Damals habe es nur 3.500 Mitglieder gegeben, die ausschließlich in den Nordstaaten (Unionsstaaten) lebten. Sie seien keine Pazifisten gewesen, sondern "Nichtkämpfer“ (noncombatant), das heißt, sie hätten auch waffenlose Dienste in der Armee akzeptiert. Pazifisten, die derartiges ablehnten, hätten sich nicht durchsetzen können. Eine Gruppe von ihnen habe 1866 unter Leitung des Predigers B. F. Snook die 1863 gegründete Freikirche verlassen und die Church of God (Seventh Day) gebildet.

Als Ellen G. White, Mitbegründerin der Freikirche, von 1885 bis 1887 in Europa war, sei sie laut Knight im September 1886 mit drei Mitarbeitern des adventistischen Verlagshauses in Basel konfrontiert worden, die zu einer dreiwöchigen Militärübung einberufen wurden, berichtete Knight. Ellen White hätte dieses Verhalten mit den Worten akzeptiert: "Sie haben sich diesen Dienst nicht ausgesucht, sondern haben sich nur den Gesetzes ihres Landes gefügt.“

Da die USA erst 1917 in den Krieg eintraten, habe die adventistische Kirchenleitung in Nordamerika mit der Regierung Nichtkämpferdienste in der Armee für ihre wehrpflichtigen Mitglieder vereinbaren können, so Dr. Douglas Morgan, Professor für Geschichte an der Washington Adventist University.

Adventisten und Wehrdienst in den USA
Der Historiker und Soziologe, Professor em. Dr. Ronald Lawson (Kew Gardens, New York/USA), ergänzte, dass während des Zweiten Weltkriegs etwa 12.000 Adventisten in den US-Streitkräften als unbewaffnete Sanitäter gedient hätten. Die Kirchenleitung sei dabei "sehr stolz“ auf ihr Mitglied Desmond Doss gewesen, das für die Rettung von 75 verwundeten Kameraden auf Okinawa am 12. Oktober 1945 von US-Präsident Harry S. Truman die Ehrenmedaille des Kongresses als höchste Auszeichnung der Vereinigten Staaten erhalten habe. Während des Koreakriegs (1950-1953) seien laut Lawson zwei Adventisten an der Front erschossen worden, weil sie sich geweigert hätten, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Etwa einhundert weitere wären wegen der Verweigerung des Waffendienstes oder des Dienstes am Sabbat (Samstag), dem biblischen Ruhetag, bis zu sieben Jahren im Gefängnis gewesen. Von 1954-1973 hätten etwa 2.200 Adventisten an dem "Project Whitecoat“ teilgenommen, um anstatt Waffendienst zu leisten, als Versuchspersonen Impfstoffe gegen Krankheitserreger möglicher biologischer Kampfmittel zu testen.

Seit 1951 gebe es laut George R. Knight in den US-Streitkräften auch adventistische Geistliche (chaplains). Während des Vietnamkriegs in den 1960er und 1970er Jahren hätten Adventisten erneut als Nichtkämpfer im Sanitätskorps gedient. Doch je länger der Krieg dauerte, hätten immer mehr junge Adventisten jeglichen Militärdienst verweigert, so Knight. Durch den Rückzug der USA aus dem Vietnamkrieg samt der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 1973 habe die Kirchenleitung keinen Beratungsbedarf mehr für junge Adventisten hinsichtlich Kriegsdienstverweigerung gesehen. So sei der Standpunkt der Kirche zum Waffendienst allmählich in Vergessenheit geraten, und immer mehr Adventisten, Männer und Frauen, meldeten sich inzwischen freiwillig ohne Einschränkungen zu den US-Streitkräften, um dadurch später bessere berufliche Perspektiven zu haben. "Durch diesen Wandel verlieren die amerikanischen Adventisten einen sehr wichtigen Aspekt ihres christlichen Erbes“, gab Knight zu bedenken.

Adventisten im Ersten Weltkrieg in Europa
Denis Kaiser, Lehrbeauftragter für Kirchengeschichte am Theologischen Seminar der Andrews University, Berrien Springs, Michigan/USA, berichtete, dass die britische Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten im Ersten Weltkrieg ihren rund 130 wehrpflichtigen Mitgliedern empfahl, Nichtkämpferdienste zu leisten. In Frankreich habe es nur einige Dutzend wehrpflichtige Adventisten gegeben. Manche hätten Waffendienst geleistet, andere beim Militär ohne Waffe gedient.

In Russland seien während des Krieges deutschstämmige aber auch russische Adventisten mit ihren Pastoren nach Sibirien verbannt und Gottesdienste verboten worden, so Dr. Eugene Zaitsev, Rektor des Instituts für Geisteswissenschaften und Wirtschaftslehre in Zaoksky bei Tula/Russland. Etwa 500 Adventisten seien zur russischen Armee einberufen worden. Die meisten wären Nichtkämpfer gewesen. Etwa 70 von ihnen seien wegen ihrer Weigerung, eine Waffe in die Hand zu nehmen, ins Gefängnis oder in Arbeitslager geschickt worden.

Dänemark, Norwegen und Schweden seien während des Ersten Weltkriegs neutral gewesen. Die wenigen wehrpflichtigen Adventisten hätten Nichtkämpferdienste leisten können. Laut dem Historiker Dr. Richard Müller, Daugaard/Dänemark, habe der Süden von Jütland seit 1864 zu Deutschland gehört. Deshalb seien 1914 auch Dänen zum Kriegsdienst einberufen worden, darunter Adventisten, wovon einer 1917 als Soldat gefallen sei. Andere Adventisten wären unter Lebensgefahr ins "freie“ Dänemark geflohen, um der Einberufung zu entgehen.

Die Niederlande seien ebenfalls eines der wenigen Länder in Europa gewesen, das im Ersten Weltkrieg neutral war. Deshalb hätten die dortigen Adventisten nicht in den Krieg ziehen müssen, stellte Dr. Reinder Bruinsma, Zeewolde/Niederlande, fest. 1914 habe es in Italien nur einhundert Adventisten gegeben, informierte Dr. Tiziano Rimoldi von der adventistischen Hochschule "Villa Aurora“ in Florenz/Italien. Nur sehr wenige wehrpflichtige Mitglieder seien daher einberufen worden, unter ihnen Alberto Long. Da er den Waffendienst verweigert habe, wäre er immer wieder misshandelt und schließlich zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Durch eine Amnestie sei er 1919 aus dem Gefängnis freigekommen.

Adventisten im Ersten Weltkrieg in Südafrika und Australien
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, habe es in Südafrika nur 1.450 Siebenten-Tags-Adventisten gegeben, so Dr. Jeff Crocombe, Professor an der Pacific Adventist University in Broko/Papua-Neuguinea. Die dortige Kirchenleitung habe ihren wehrpflichtigen Mitgliedern empfohlen, den Waffendienst in der Armee zu verweigern. In Südafrika und Australien hätten die Adventisten den Krieg als "Zeichen der Endzeit“ angesehen, sodass es die vordringlichste Aufgabe gewesen wäre, Menschen auf die Wiederkunft Jesu vorzubereiten, stellte Dr. Daniel Reynaud, Professor für Geschichte am Avondale College in Cooranbong/Australien, fest. Obwohl die australischen Streitkräfte nur Freiwillige in den Krieg nach Europa sandten, sei in der Öffentlichkeit starker Druck auf wehrfähige Männer ausgeübt worden, sich zu melden. Junge Adventisten hätten daher Zivildienst beim Roten Kreuz geleistet oder in der Armee als waffenlose Sanitäter gedient. Dabei wäre ihnen der dienstfreie Sabbat (Samstag) garantiert worden.

Die "Schlacht von Harmagedon“
Aufgrund ihrer Auslegung der biblischen Bücher Daniel und Offenbarung hätten die Adventisten einen großen Krieg, bei dem sich die Völker zur "Schlacht von Harmagedon“ (Offenbarung 16,16) im Nahen Osten versammeln würden, erwartet, berichtete der Historiker Jón Hjörleifur Stefánsson, Reykajavík/Island. Danach käme Jesus wieder. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, habe es Spekulationen gegeben, dass die Russen Konstantinopel erobern würden, sodass die Türken ihre Hauptstadt nach Jerusalem verlegen müssten, ergänzte Bert Haloviak, Riverside, Kalifornien/USA. Obwohl dieser Auffassung in adventistischen Zeitschriften widersprochen worden sei, hätten viele Adventisten den Zusammenbruch des Osmanischen Reiches mit der bevorstehenden Wiederkunft Christi erwartet, so auch Dr. Rolf J. Pöhler, Professor für Systematische Theologie an der Theologischen Hochschule Friedensau. Heute würden Adventisten in der "Schlacht von Harmagedon“ eher einen Konflikt zwischen den Mächten des Guten und des Bösen sehen, der bei der Wiederkunft Christi seinen Abschluss finde. Damit wären sie zu einer Auslegung zurückgekehrt, die bereits der Mitbegründer der Freikirche, James White (1821-1881) vertreten habe.

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