Letztes Konzilsdokument brachte Wende zu menschenrechtlichem Verständnis der Religionsfreiheit

Wien/Österreich | KAP/APD

Vor 50 Jahren - am 8.12.1965 - wurde das Zweite Vatikanische Konzil von Papst Paul VI. feierlich beendet. „Es war die größte Kirchenversammlung in einer 2.000-jährigen Geschichte der Kirche und das 21. und bisher letzte ökumenische Konzil der katholischen Kirche“, schreibt die österreichische Katholische Presseagentur Kathpress im Dossier „Konzils-Ende vor 50 Jahren“. Die Erklärung „Dignitatis humanae“ über die Religionsfreiheit war das letzte Konzilsdokument. Es ging dabei um die Überwindung der bis dahin vorherrschenden Toleranzposition hin zu einer Neupositionierung der Kirche im Sinne eines positiven Verhältnisses zum Menschenrecht auf Religionsfreiheit.

Nicht von ungefähr war die Erklärung „Dignitatis humanae“ über die Religionsfreiheit das letzte Konzilsdokument, das bei der feierlichen Schlussabstimmung mit 2.308 Ja- gegen 70 Nein-Stimmen bei 8 ungültigen Stimmen am 7. Dezember 1965 angenommen und noch am selben Tag verkündet wurde. Das letztlich eindeutige Abstimmungsergebnis täuscht über die harten Auseinandersetzungen um diese Erklärung hinweg.

Überwindung von zweierlei Maß für „Wahrheit“ und „Irrtum“
In der ersten Vorlage des Konzils zu dieser Thematik wurde noch die traditionelle Auffassung aus dem 19. Jahrhundert vertreten, wonach ein Staat katholisch sein müsse, wenn die Mehrheit des Staatsvolkes Katholiken sind. In solch einem katholischen Staat sei die Bekenntnisfreiheit von Nichtkatholiken nur aufgrund des Gemeinwohls zu tolerieren. Sollten die Katholiken in einem Staat aber in der Minderheit sein, so seien den Katholiken und der Kirche alle Freiheit einzuräumen, weil es sich um die wahre Religion handle. Die Überzeugung, dass bei der Religionsfreiheit zweierlei Maß anzuwenden sei - das eine für die Wahrheit, das andere für den Irrtum - bildete den Kern dieser traditionellen Haltung.

Verhältnis von Wahrheit und Freiheit
Im Laufe des Konzils wurde klar, dass die traditionelle Toleranztheorie für die staatliche Rechtsordnung keine Geltung mehr beanspruchen konnte. In der Konzilserklärung wird die notwendige Unterscheidung zwischen der moralischen und der rechtlichen Dimension von Religionsfreiheit angebracht: Dabei blieb die moralische Pflicht, die Wahrheit zu suchen, aufzunehmen und zu bewahren, weiterhin aufrecht; gleichzeitig wurde aber für den rechtlichen Bereich die Religionsfreiheit festgehalten. Das Verhältnis von Wahrheit und Freiheit wird in der Konzilserklärung dahingehend bestimmt, dass um der Wahrheit willen die Religionsfreiheit als Recht des Menschen besteht, damit der einzelne sie in Freiheit ergreifen und danach leben kann.

Inhalt der Konzilserklärung ist daher nicht der Wahrheitsgehalt einer Religion, sondern „das Recht der Person und der Gemeinschaften auf gesellschaftliche und bürgerliche Freiheit in religiösen Dingen“, wie es im Untertitel der Erklärung heißt. Schon im ersten Kapitel wird daher die Absicht betont „die Lehre der neueren Päpste über die unverletzlichen Rechte der menschlichen Person wie auch ihre Lehre von der rechtlichen Ordnung der Gesellschaft weiterzuführen“.

Freiheit von Zwang in religiösen Angelegenheiten
Die Nummer 2 des Konzilsdokuments formuliert die Kernaussage mit folgenden Worten: „Das Vatikanische Konzil erklärt, dass die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat.“ Der Inhalt dieses Rechts besteht im Freisein von Zwang in zweierlei Hinsicht. So darf der Mensch einerseits nicht gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln und andererseits darf niemand daran gehindert werden, innerhalb der gebührenden Grenzen privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen, nach seinem Gewissen zu handeln.

Staat schützt Religionsfreiheit
Die Konzilserklärung beschreibt auch Rechte, die Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften als Institutionen zukommen. Das betrifft beispielsweise die Gestaltung des Gottesdienstes, die Glaubensunterweisung und -verbreitung, Ausbildung und Einsetzung religiöser Amtsträger, grenzüberschreitende religiöse Kontakte und Beziehungen, den Erwerb und Gebrauch von Gütern sowie Aktivitäten in den Bereichen Erziehung, Kultur, Caritas und soziales Leben. Aufgabe des Staates ist es, das Recht auf Religionsfreiheit zu gewähren und zu schützen. Dabei kann auch innerhalb enger Grenzen gegen den Missbrauch der Religionsfreiheit vorgegangen werden.

Jesus gewährte Glaubensfreiheit
Schließlich wird in den Nummern 9-14 der Konzilserklärung das Recht auf Religionsfreiheit aus dem Blickwinkel der Offenbarung weiter vertieft. So wird unter anderem darauf hingewiesen, dass Jesus und die Jünger die Freiheit des Menschen, zu glauben respektierten. Gleichzeitig wird in der Konzilserklärung selbstkritisch festgestellt, dass die Kirche im Lauf der Geschichte dieser Haltung auch zuwider gehandelt hat.

Mit der Erklärung über die Religionsfreiheit hat sich die Kirche von der traditionellen Bindung an den Staat gelöst und gleichsam die Last der Freiheit auf sich genommen, die gleichzeitig auch ihr Anspruch an die weltliche Ordnung ist. Das Konzilsdokument über die Religionsfreiheit schuf gemeinsam mit der Erklärung „Nostra aetate“ über die nichtchristlichen Religionen die Grundlage dafür, dass Kirchen und Religionen im öffentlichen Raum gleichberechtigt in einen Dialog treten können. Im Verbund mit der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ befeuerte und legitimierte es den Dienst der Kirche in der Welt und als Akteur innerhalb der Staatengemeinschaft.

Weitere Meldungen und Hintergrundberichte zum Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren im Kathpress-Themenpaket unter www.kathpress.at/konzil.

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