Kein Fortschritt beim Recht auf Kriegsdienstverweigerung in Europa

Bonn | APD

Zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember hat das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) seinen Jahresbericht „Kriegsdienstverweigerung in Europa 2016“ vorgelegt. EBCO-Vorsitzender Friedhelm Schneider, der die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) in der Menschenrechtsorganisation vertritt, bilanziert den Bericht mit der Einschätzung: „Insgesamt war die Menschenrechtssituation von Kriegsdienst-verweigerern in Europa 2016 durch Stagnation statt Fortschritt gekennzeichnet.“

Weiterhin Diskriminierung von Kriegsdienstverweigerern in Europa
Zwei symptomatische Beispiele für diese Beobachtung sieht Schneider in der fortgesetzten Diskriminierung von Kriegsdienstverweigerern in der Türkei und in Griechenland. Seit über einem Jahrzehnt missachte die türkische Regierung das Weg weisende Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes, welches im Januar 2006 dem Kriegsdienstverweigerer Osman Murat Ülke Recht gegeben und die Türkei dazu verurteilt hatte, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen gesetzlich zu regeln. Griechenland betreffend hätten in den zurückliegenden Monaten drei internationale Menschenrechtsinstitutionen auf schwer wiegende Verletzungen des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung hingewiesen. Trotz deutlicher Abmahnungen durch den UN-Menschenrechtsrat, den UN-Menschenrechtsausschuss und den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof bleibe die griechische Regierung untätig.

Vergleichbarer Fall, unterschiedliche Handhabung
Als bedenkliche Tendenz beklagt das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung weiterhin die unberechenbare Situation, der sich Kriegsdienstverweigerer im Asylverfahren ausgesetzt sehen. Vor Verfolgung geflohene Kriegsdienstverweigerer mit vergleichbaren Biografien würden nach Schneiders Aussage das eine Mal anerkannt, ein anderes Mal abgelehnt; je nachdem in welchem europäischen Staat sie ihren Asylantrag eingereicht hatten.

Wenige Lichtblicke
Zu den wenigen Lichtblicken des Jahres 2016 gehöre die Haftentlassung des ukrainischen Kriegsdienstverweigerers Ruslan Kotsaba, der seine Mitbürger dazu aufgerufen hatte, sich dem Brudermord im Ukraine-Konflikt zu verweigern. Nicht zuletzt dank einer internationalen Solidaritätskampagne habe er das Gefängnis nach 18 Monaten verlassen können. Auch die Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung in dem von Kurden kontrollierten Kanton Cizre im Nordosten Syriens, einem Schauplatz des Kampfes mit dem IS, markiere eine positive Entwicklung gegen den vorherrschenden Trend.

Bundesregierung soll aktiv werden
Es ist nach Ansicht Schneiders ein Skandal, dass Mitgliedsstaaten des Europarats, und mit Griechenland auch der Europäischen Union, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung völkerrechtswidrig und dauerhaft verletzten, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Die Glaubwürdigkeit der internationalen Menschenrechtsinstitutionen, so der EBCO-Vorsitzende, werde massiv beschädigt, wenn die Umsetzung ihrer Entschließungen und Urteile nicht erreicht werden könne. Es sei deshalb wichtiger denn je, dass Nichtregierungsorganisationen und Kirchen die nationalen Regierungen an ihre internationale Verantwortung für den Schutz der Kriegsdienstverweigerer erinnern. Auf dem Hintergrund der deutschen Erfahrungen mit Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst biete sich hier besonders für die Bundesregierung ein unterstützenswertes Politikfeld an.

Die EBCO-Studie „Kriegsdienstverweigerung in Europa 2016“ ist die derzeit aktuellste und umfassendste Veröffentlichung zum Thema. Ihr englischsprachiger Text kann im Internet unter www.ebco-beoc.org heruntergeladen werden.

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