„Mut zum Frieden“

Symbolbild

© Foto: Matthias Mueller/churchphoto.de

„Mut zum Frieden“

Ostfildern bei Stuttgart | APD

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland hat zum einhundertsten Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkriegs die Erklärung „Mut zum Frieden“ beschlossen. Sie wurde in der Februar-Ausgabe 2018 der Kirchenzeitschrift „Adventisten heute“ veröffentlicht. Die Freikirchenleitung empfiehlt in der Erklärung ihren Mitgliedern, sich weder direkt noch indirekt an einem Krieg zu beteiligen.

Mit der Erfahrung „Wenn ein Krieg endet, heißt das nicht, dass damit der Frieden begonnen hat“, leitet die Erklärung ein. Das sei eine Lehre aus dem Ersten Weltkrieg, der erst der Auftakt einer modernen Kriegsführung gewesen sei. Heute habe sich die Art und Weise, wie Kriege geführt würden, durch Cyberkrieg, Drohnenangriffe, autonome Waffensysteme, Bedrohung durch ABC-Waffen und weltweitem Terrorismus noch einmal drastisch verändert. Dabei seien die Konfliktlinien und Kriegsparteien oft nicht mehr eindeutig auszumachen.

Kein gerechter Krieg
Im Gedenken an die Beendigung des Ersten Weltkriegs am 11.11.1918 und in Wahrnehmung der neuen Gefährdungspotentiale wolle die deutsche Freikirchenleitung, wie schon in ihrer Stellungnahme „Schuld und Versagen“ von 2014, an ihre christlich-adventistische Haltung erinnern. Dabei gelte zu bedenken, dass Krieg nicht gerecht sei. „Hinter jedem militärischen Konflikt stecken offene und versteckte Interessen, die nicht vom reinen Streben nach Gerechtigkeit getrieben sind.“ Das Schicksal der Menschen in Konfliktgebieten sei häufig zweitrangig. Deshalb hätten bereits im Dezember 1983 die Ausschüsse des damaligen Westdeutschen und des Süddeutschen Verbandes der Adventisten betont: „Wir lehnen heute Krieg in jeder Form ab.“ Krieg und Bedrohung schürten Angst und führten immer wieder zu einer neuen Aufrüstungsspirale, sodass der Friede ständig bedroht sei. Aber auch ein übersteigerter Nationalismus mit aggressiver Abgrenzung von anderen Nationen schüre Angst und bedrohe den Frieden. Zudem sei die industrielle Fertigung von Kriegsmitteln ein Wirtschaftsfaktor.

Botschafter des Friedens und der Versöhnung
„Jesus Christus hat seine Nachfolger zu Friedensstiftern berufen“, wird in der Erklärung hervorgehoben. Wo Menschen im Frieden mit Gott lebten, suchten sie auch den Frieden mit Menschen; denn der Friede sei unteilbar und durchdringe alle Lebensbereiche. Deshalb heiße es auch in der Erklärung der deutschen Freikirchenleitung von 2014 zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren: „Wir glauben, dass Nachfolger Jesu den Aussagen der Heiligen Schrift am besten Folge leisten, wenn sie in ihrer Umgebung als Botschafter des Friedens und der Versöhnung wirken.“

Kein freiwilliger Dienst in der Bundeswehr
Daher empfiehlt die Freikirchenleitung ihren Mitgliedern sowie den Mitgliedern der Adventjugend, „sich weder direkt an einem Krieg im Rahmen des freiwilligen Dienstes in der Bundeswehr noch indirekt bei der Vorbereitung eines Kriegs durch Mitwirkung an der Waffen- und Zubehörproduktion sowie an der Informationstechnik zu beteiligen.“ Seit Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland im Jahr 2011 biete die Bundeswehr Anreize, sich freiwillig für die Streitkräfte zu verpflichten, etwa eine Berufsausbildung oder ein Studium. Trotzdem „ermutigt unsere Kirche aufgrund des nichtkämpferischen Grundgedankens der Bibel … niemanden, sich dem Militär anzuschließen“, wird der Präsident der adventistischen Generalkonferenz (Weltkirchenleitung), Pastor Ted N. C. Wilson, zitiert. Er macht darauf aufmerksam, dass die Siebenten-Tags-Adventisten „ihr historisches Zeugnis für den Frieden und den Dienst ohne Waffen“ seit ihrem Bestehen nicht aufgegeben hätten.

Friedensstifter beginnen im eigenen Umfeld
„Frieden zu stiften fängt in den menschlichen Beziehungen des eigenen Umfelds an und setzt sich von dort fort bis in gesellschaftspolitische Verantwortungsübernahme“, so die deutsche Freikirchenleitung in ihrer Erklärung. Zum Frieden beitragen könne daher auch der Einsatz für die Religionsfreiheit, Armutsbekämpfung durch Bildung, Erhaltung der Gesundheit durch Krankenhäuser und Gesundheitsaufklärung, Unterstützung von Lebensqualität durch die Arbeit der Adventistischen Entwicklungs- und Katastrophenhilfe (ADRA) sowie des Advent-Wohlfahrtswerks (AWW). Versöhnung, Vergebung, Frieden und Gerechtigkeit würden nur auf dem Boden einer gewaltfreien Lebensart gedeihen; so, wie es Jesus Christus, in seinem Leben und Sterben vorgelebt habe. Deshalb werden die Mitglieder der Freikirche aufgefordert, ihre Verantwortung in dieser Welt gewaltfrei auszuüben. Da Adventisten glauben, dass mit Jesu Wiederkunft das Friedensreich Gottes „auf uns zukommt“, sollten sie diesem Friedensreich schon heute durch ihr Verhalten entgegengehen.

Ein fast einstimmiger Beschluss
Die Erklärung „Mut zum Frieden“ wurde während der Jahressitzung des Ausschusses der adventistischen Freikirche in Deutschland am 4. Dezember 2017 in Altena/Westfalen mit nur einer Gegenstimme von den 51 anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern beschlossen und zur Veröffentlichung freigegeben. Vorsitzender des Ausschusses ist Pastor Werner Dullinger (Ostfildern bei Stuttgart), Präsident des Süddeutschen Verbandes, und Stellvertretender Vorsitzender Pastor Johannes Naether (Hannover), Präsident des Norddeutschen Verbandes der Freikirche. Stimmberechtigte Mitglieder des Ausschusses sind die Mitglieder der beiden Verbandsausschüsse. In Deutschland gibt es rund 35.000 Siebenten-Tags-Adventisten in 558 Kirchengemeinden.

Nichtkämpfer schon im Amerikanischen Bürgerkrieg
Laut Pastor Holger Teubert, Leiter des Referats Kriegsdienstverweigerung und Frieden der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, organisierte sich die adventistische Kirche während des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865). Damals habe es nur 3.500 Adventisten gegeben, die alle in den Unionsstaaten (Nordstaaten) der USA lebten. Sie seien entschiedene Gegner der Sklaverei gewesen. Doch sie hätten es aufgrund ihrer christlichen Überzeugung abgelehnt, mit Waffengewalt die Beendigung der Sklaverei zu erzwingen. Die Unionsregierung habe sie als „Nichtkämpfer“ anerkannt, sodass wehrpflichtige Adventisten als Nichtkombattanten einen waffenlosen Sanitätsdienst leisten konnten. Doch es sei vorgekommen, dass Adventisten dies von untergeordneten Offizieren verweigert wurde, sodass sie gegen ihren Willen zur kämpfenden Truppe kamen. Wer sich weigerte, die Waffe in die Hand zu nehmen, dem habe Kriegsgericht und Erschießung gedroht. In solch einer Situation wäre es der persönlichen Gewissensentscheidung des Einberufenen überlassen worden, ob er den Befehlen seiner Vorgesetzten gehorcht.

Im Ersten Weltkrieg am Nichtkämpferstandpunkt festgehalten – außer in Deutschland
Diese Haltung zum Militärdienst präge die Adventisten bis heute, erläuterte Teubert. Im Ersten Weltkrieg hätten die adventistischen Kirchenleitungen in den USA, in Großbritannien und in anderen Ländern am Nichtkämpferstandpunkt festgehalten. In England leisteten rund 130 wehrpflichtige Adventisten Nichtkämpferdienste. Einige von ihnen seien in das berüchtigte Gefängnis in Dartmoor gekommen, wo sie schwere Misshandlungen erlitten hätten. In Russland wurden etwa 500 Adventisten zur Armee einberufen. Die meisten seien Nichtkämpfer gewesen. Etwa 70 von ihnen wären wegen ihrer Weigerung, eine Waffe in die Hand zu nehmen, ins Gefängnis oder in Arbeitslager gekommen.

Die adventistische Kirchenleitung in Deutschland sowie in Österreich-Ungarn empfahl dagegen in einem Rundschreiben vom 2. August 1914 ihren wehrpflichtigen Mitgliedern „unsere militärischen Pflichten freudig und von Herzen [zu] erfüllen“, „von den Kriegswaffen Gebrauch“ zu machen „und auch am Sabbat den Kriegsdienst [zu] versehen“. Nicht alle Adventisten seien mit dieser Haltung einverstanden gewesen. Wer allerdings den Kriegsdienst mit der Waffe verweigerte, den erwarteten harte Konsequenzen. Von den in Deutschland im Ersten Weltkrieg zu Festungshaft verurteilten bekannten 20 Adventisten seien aufgrund von Misshandlungen fünf im Gefängnis oder bald nach ihrer Entlassung gestorben, berichtete Pastor Teubert.

Bereits 1920 hätten die verantwortlichen deutschen Freikirchenleiter ihre Erklärungen zum Kriegsdienst zurückgezogen und bedauert, so Teubert. Dennoch griff die deutsche Freikirchenleitung 2014 in ihrer Stellungnahme „Schuld und Versagen“ das Thema zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erneut auf. Sie bekannte, dass die damalig Leitung „ihrer Verantwortung gegenüber den Gemeinden nicht gerecht wurde und Glaubensgeschwister, die ihrer Meinung widersprachen“ und am Nichtkämpferstandpunkt festhielten, „zu Unrecht des ‚Abfalls‘ bezichtigte und in einzelnen Fällen sogar von staatlichen Behörden verfolgen ließ“. Die Freikirchenleitung entschuldigte sich bei den „Kindern und Nachkommen“ der damals zu Unrecht Beschuldigten für ihr „Versagen“ im Krieg: „Wir haben aus unserer leid- und schmerzvollen Geschichte gelernt, dass Kinder Gottes berufen sind, Menschen des Friedens zu sein und jede Form von Gewaltanwendung gegenüber Unschuldigen abzulehnen.“

Zivildienst und Bausoldaten
Da es in der Bundesrepublik Deutschland keinen waffenlosen Sanitätsdienst gibt, habe die westdeutsche Leitung der Siebenten-Tags-Adventisten ihren wehrpflichtigen Mitgliedern empfohlen, von ihrem Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen Gebrauch zu machen und Zivildienst zu leisten. Das hätten laut Teubert fast alle wehrpflichtigen Adventisten getan. In der DDR gab es keinen Zivildienst, sondern nur die Möglichkeit, als waffenlose Bausoldaten zu dienen. Die meisten wehrpflichtigen Adventisten seien zu den Bausoldaten gegangen, obwohl sie dadurch eine Reihe von beruflichen Nachteilen hatten.

Die Erklärung „Mut zum Frieden“ kann im Internet heruntergeladen werden unter:
https://www.adventisten.de/fileadmin/adventisten.de/files/downloads/Dokumente_und_Stellungnahmen__%C3%B6ffentlich_/2017-12-04_Mut_zum_Frieden.pdf

Die Erklärung von 2014 „Schuld und Versagen“ ist zu finden unter:
https://www.apd.info/2014/04/29/schuld-und-versagen/

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