Christliche Kirchen im Nahen Osten brauchen Einheit

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Christliche Kirchen im Nahen Osten brauchen Einheit

Beirut/Libanon | APD

Jahresversammlung des "Mittelöstlichen Kirchenrats" (MECC) „Im Orient werden die Kirchen geeint sein oder sie werden nicht mehr sein.“ Laut CBS KULTUR INFO stellte Prof. Souraya Bechealany, Generalsekretärin des Mittelöstlichen Kirchenrats (Middle East Council of Churches, MECC), diese dramatische Formulierung der christlichen Patriarchen des Nahen Ostens vom Anfang der 1990er Jahre in den Mittelpunkt ihrer Eröffnungsansprache der Jahresversammlung des Rates, die vom 8. bis 10. Mai im Kloster von Bqennaya im Libanon stattfand. Sie stand unter dem Motto „Vereint in Mission und Vision“.

Der MECC hatte jahrelang keine Versammlungen abgehalten, in Bqennaya wurde ein Neuanfang gesetzt, wie die katholische Nachrichtenagentur AsiaNews berichtet. Der Ökumenismus sei von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit des interreligiösen Dialogs und des christlichen Zeugnisses im Nahen Osten, unterstrich Prof. Bechealany, die an der römisch-katholischen Sankt-Joseph-Universität in Beirut lehrt.

Prof. George Sabra, der Präsident der kleinen kirchlichen Hochschule evangelischer Prägung Near East School of Theology, erinnerte daran, dass die Zahl der Christen im Nahen Osten in den letzten hundert Jahren drastisch zurückgegangen sei, vor allem auf Grund der Emigrationsbewegung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts seien 30 Prozent der Bewohner des Nahen Ostens Christen gewesen, heute seien es fünf Prozent. Sabra zitierte das 1994 erschienene Buch des französischen Historikers und Diplomaten Jean-Pierre Valognes „Vie et mort des Chretiens d’Orient“ (Leben und Tod der Christen des Orients). Valognes hatte den Christen des Orients trotz ihrer ungeheuren Leistungen – zunächst der Übermittlung des antiken Kulturerbes an die islamische Zivilisation, dann ab dem 19. Jahrhundert der Transfer der Errungenschaften der Moderne in den Nahen Osten – keine Zukunftschancen eingeräumt, weil Islamismus und arabischer Nationalismus keine Eigenständigkeit der orientalischen Christen akzeptieren wollten. Prof. Sabra hielt aber fest, dass es nicht so sehr auf die Zahlen ankomme, als vielmehr auf das entschlossene Zeugnis für das Evangelium.

Prof. P. Gaby Hachem, der an der Theologischen Fakultät der Maronitisch-Katholischen Heilig-Geist-Universität Kaslik lehrt, unterstrich seine Hoffnung auf den MECC als „Inkarnation des Prinzips der Synodalität und Inbegriff des ökumenischen Dialogs mit dem Islam“. Leider hätten in den letzten Jahren „Oberflächlichkeit und Verantwortungslosigkeit“ vorübergehend dazu geführt, dass sich der MECC in eine x-beliebige NGO gewandelt habe. Das dürfe der MECC aber nicht sein, es gehe vielmehr darum, gemeinsam darauf zu hören, „was der Heilige Geist den Kirchen sagt“. Der MECC brauche eine umfassende Vision, die über Fragen wie das gemeinsame Osterdatum hinausgehe.

Der (orthodoxe) frühere libanesische Kulturminister Tarek Mitri, Direktor des Fares-Instituts an der American University in Beirut, verwies darauf, dass man trotz der Präsenz von Muslim-Brüdern und rückwärtsgewandten Salafisten die „ungeheure Mehrheit“ der „normalen Muslime“ nicht übersehen dürfe, die sich von der Gewalttätigkeit der Islamisten distanzieren und für die aus der jahrhundertealten Tradition des Miteinanders mit den christlichen Nachbarn die „Annahme des Anderen“ kein Problem ist. Umso notwendiger sei es, dass die Mitgliedskirchen des Mittelöstlichen Kirchenrates die Rolle der orientalischen Christen seit dem Aufkommen des Islam fortsetzen, Vermittler von Kultur und Zivilisation zu sein. Zugleich müssten die Kirchen immer wieder auf den Aufbau moderner Staaten auf der Grundlage des gleichen Bürgerrechts für alle dringen. Keinesfalls sollten sich die Christen auf das „Spiel der Angst“ einlassen und diktatorische Regime als einzige Alternative zum Islamismus ansehen.

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