Türkei: Adventisten bekommen Recht beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Straßburg

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Türkei: Adventisten bekommen Recht beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Straßburg/Frankreich | APD

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sieht in einem Urteil (Altinkaynak und andere vs. Türkei − Nr. 12541/06) eine Verletzung der Menschenrechte seitens der Türkei gegenüber sechs türkischen Siebenten-Tags-Adventisten. In der am 15. Januar veröffentlichten Urteilsbegründung wird festgestellt, dass der Artikel 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention im vorgelegten Fall verletzt worden sei.

Die Stiftung türkischer Siebenten-Tags-Adventisten (Türkiye Yedincigün Adventistleri Vakfi, eine Stiftung von Privatpersonen, die nicht identisch ist mit der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in der Türkei) wurde im September 2004 von sechs Adventisten mit dem Zweck gegründet, den religiösen Bedürfnissen türkischer und ausländischer Adventisten zu dienen, die dauerhaft oder vorübergehend in der Türkei leben. Die türkischen Gerichte verweigerten der Stiftung die Eintragung ins offizielle Register mit der Begründung, dass das nationale Recht es Stiftungen nicht erlaube, den alleinigen Interessen der Mitglieder einer bestimmten Gemeinschaft zu dienen.

Bei den klagenden Adventisten handelte es sich um die türkischen Staatsbürger Erkin Altinkaynak (verstorben 2016), Meral Altinkaynak, Sibel Sahlimov, Hüsnü Bostan, Volkan Ataalp und Sahire Melek Jones. Sie beschwerten sich über die Verletzung ihrer Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wegen der Weigerung der türkischen Gerichte, ihre Stiftung zu registrieren. „Die Kläger sind der Ansicht, dass ihre Vereinigungsfreiheit nicht restriktiv ausgelegt werden darf, soweit sie mit ihrer Religionsfreiheit verbunden ist“, teilte der EGMR mit. Die Kläger seien auch der Ansicht, „dass die nationalen Behörden, indem sie sich weigerten, die Stiftung zu registrieren, den Mitgliedern der Siebenten-Tags-Adventisten die Mittel entzogen haben, ihre Religion gemeinsam auszuüben, was bei muslimischen Gläubigen und im Lausanner Vertrag anerkannten Gläubigen nichtmuslimischer Minderheiten nicht der Fall sei“, so der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte.

Die Siebenten-Tags-Adventisten hatten auf Verletzung folgender Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention geklagt: Artikel 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit), Artikel 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit), Artikel 14 (Diskriminierungsverbot), Artikel 17 (Verbot des Missbrauchs der Rechte) und Artikel 18 (Begrenzung der Rechtseinschränkungen).

Das Gericht wies darauf hin, dass alle Beschwerden der Antragsteller in der Hauptbeanstandung nach Artikel 11als enthalten angesehen werden können und entschied, dass Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention von der Türkei verletzt worden sei.

Den klagenden Adventisten wurden folgende Entschädigungen zugesprochen: 2.724 Euro für materielle Schäden (hauptsächlich Notargebühren zur Gründung einer Stiftung), 3.000 Euro für immaterielle Schäden und 3.000 Euro für Kosten und Auslagen (gezahlte Steuern und Gebühren). Das 15-seitige Urteil des EGMR ist in französischer Sprache verfasst.