Lutherstadt Wittenberg, 09.09.2014/APD Fast 400 Teilnehmer beschäftigten sich vom 5. bis 7. September in der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt der Lutherstadt Wittenberg beim Bausoldatenkongress "Friedenszeugnis ohne Gewa(e)hr" mit Fragen der Friedensarbeit in Vergangenheit und Gegenwart. Die meisten waren ehemalige Bausoldaten, die in den Jahren 1964 bis 1989 den Waffendienst in der DDR verweigerten und einen militärischen Ersatzdienst ableisteten, wobei es sich allerdings nicht um einen Zivildienst gehandelt hatte.
Neben dem Rückblick auf die Jahre 1914, 1939 und 1989 war auch das Jahr 1964 für den Kongress von besonderer Bedeutung. Vor 50 Jahren, am 7. September 1964, hatte die DDR-Führung die "Anordnung zur Aufstellung von Baueinheiten" erlassen. Der damit mögliche waffenlose Dienst in militärischen Einheiten war einmalig im gesamten Ostblock.
In den beiden Jahren seit Einführung der Wehrpflicht verweigerten etwa 1.500 junge Männer bei ihrer Musterung im Osten den Wehrdienst, was damals unter Strafe stand. Mit Schaffung der Baueinheiten sei es der DDR-Führung gelungen, die Wehrpflicht auch in christlichen Kreisen weitgehend durchzusetzen, gab der frühere Bausoldat Dietmar Eißner (Merseburg) zu bedenken. Für die Betroffenen wäre das allerdings mit Schikanen und Nachteilen in der beruflichen Ausbildung verbunden gewesen. Eißner, selbst Siebenten-Tags-Adventist, berichtete, dass trotz dieser Nachteile die meisten wehrpflichtigen Mitglieder seiner Freikirche sich für diesen waffenlosen Dienst entschieden hätten.
Insgesamt erklärten fast 26.000 Christen und Friedensbewegte in den 25 Jahren bis zum Ende der DDR ihre Ablehnung zur Waffenausbildung. Etwa 14.000 von ihnen leisteten diese besondere Form des waffenlosen Wehrdienstes, erkennbar an einem Spatensymbol auf den Schulterstücken ihrer Uniformjacken.
Baueinheiten standen unter Beobachtung der DDR-Staatssicherheit, da es sich aus deren Sicht um eine "Zusammenballung feindlich-negativer Elemente" gehandelt habe. "Unter den mehrheitlich christlich geprägten jungen Männern verschiedener Konfessionen entwickelte sich eine besondere Solidarität, die zu widerständigem Handeln gegen staatliche Zwangsmaßnahmen ermutigte", so Eißner. Für einige hätte sich der Weg des Widerstandes gegen den SED-Staat auch später fortgesetzt, bis hin zur friedlichen Revolution 1989.
Die Kongressteilnehmer in Wittenberg blickten aber nicht nur in die Vergangenheit, sondern beschäftigten sich auch mit den Konflikten der Gegenwart. In einem „Ruf aus Wittenberg: Kriegsdienstverweigerung ist Menschenrecht“ forderten sie, Kriegsdienstverweigerung ohne Gewissensprüfung international anzuerkennen. Die Verantwortlichen in Politik und Kirchen sollten sich dafür einzusetzen. Der Aufruf im Internet unter: https://www.facebook.com/Bausoldatenkongress2014/posts/895084133854627
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