„Frieden ist eine Entscheidung“

Zum Gespräch mit Bausoldaten aus der ehemaligen DDR und Kriegsdienstverweigerern aus Südkorea lud das Ökumenische Forum HafenCity Hamburg am 29. April ein. Während es in der DDR den waffenlosen Militärdienst als Bausoldat gab, gibt es solch eine Alternative in Südkorea nicht. Dort erwartet die Kriegsdienstverweigerer das Gefängnis.

Als waffenloser Bausoldat in der DDR
Bausoldaten waren Angehörige der Baueinheiten der Nationalen Volksarmee (NVA) in der DDR, erläuterte der ehemalige Bausoldat Pfarrer Friedrich Kramer, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg. „Der Dienst als Bausoldat war für DDR-Bürger eine Möglichkeit, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, die es in sonst keinem anderen sozialistischen Land gab.“ Es habe sich jedoch nicht um einen zivilen Wehrersatzdienst gehandelt. „Der Dienst als Bausoldat konnte sich nachteilig auf Ausbildungs-, Studiums- und Aufstiegschancen auswirken.“

Die NVA sei zwar schon 1956 als reguläre Streitkraft der DDR gegründet worden, doch die allgemeine Wehrpflicht habe es erst seit 1962 gegeben, informierte Kramer. Am 7.9.1964 schuf die „Anordnung zur Aufstellung von Baueinheiten“ die Möglichkeit eines waffenlosen Dienstes innerhalb der NVA. Er sei für jene Wehrpflichtigen gedacht gewesen, die aus religiösen Anschauungen den Wehrdienst mit der Waffe verweigerten. Die Uniform zeigte einen kleinen Spaten auf den Schulterklappen, so dass sich die Verweigerer untereinander als „Spatensoldaten“ bezeichnet hätten.

Von den etwa 25.000 Wehrpflichtigen, die sich zu den Bausoldaten meldeten, seien etwa 15.000 eingezogen worden, so Pfarrer Kramer. Bis 1973 wurden diese Einheiten auch zum Bau von militärischen Anlagen eingesetzt. Nach Beschwerden der Kirchen erhielten Bausoldaten „zivile“ Aufgaben in militärischen Einrichtungen als Gärtner, Krankenpfleger in Militärkrankenhäusern oder Küchenhelfer. Insbesondere in den letzten Jahren der DDR arbeiteten viele Bausoldaten aber auch in Großbetrieben, die unter Arbeitskräftemangel litten, beispielsweise in der Chemischen Industrie oder in Braunkohlentagebauen. Kramer bezeichnete die dort Eingesetzten als „billige Arbeitssklaven“. Es habe in der DDR aber auch Kriegsdienstverweigerer gegeben, welche den waffenlosen Dienst als Bausoldaten ebenfalls ablehnten. Von den rund 6.000 Totalverweigerern seien 3.144 zu Gefängnisstrafen von acht bis 22 Monaten verurteilt worden. Viele davon wären Zeugen Jehovas gewesen, andere evangelische Christen oder Pazifisten ohne religiöse Bindung. Die christlichen Bausoldaten seien auch nach ihrer Dienstzeit miteinander in Kontakt geblieben. Als Widerständler hätte sie bei der Wende in der DDR mit dem Slogan „Keine Gewalt!“ zur friedlichen Revolution beigetragen, betonte Kramer.

In dem gezeigten neuen halbstündigen Dokumentarfilm von Johannes Meier „Schwerter zu Spaten“ kommen neben Kramer auch andere Bausoldaten mit ihren Erfahrungen zu Wort. Darunter der Bürgerrechtler und Pfarrer Rainer Eppelmann, der als „Minister für Abrüstung und Verteidigung“ der letzten DDR-Regierung mit der Auflösung der NVA beauftragt wurde, sowie Andreas von Maltzahn, von 1980 bis 1982 Bausoldat, und gegenwärtig Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern (Sitz Schwerin) der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.

Haftstrafe für Kriegsdienstverweigerer in Südkorea
Die südkoreanische Bürgerrechtsaktivistin Yeo-ok Yang von der Organisation „World Without War“ (Welt ohne Krieg) informierte, dass in ihrem Land derzeit etwa 700 Kriegsdienstverweigerer in Haft seien. Das wären rund 95 Prozent aller weltweit inhaftierten Verweigerer. Die seit Ende des Koreakrieges 1953 bestehenden Spannungen mit Nordkorea benutze die südkoreanische Regierung, um die Militarisierung und ein striktes Militärsystem aufrecht zu erhalten. Das Land unterhalte bei 50 Millionen Einwohnern eine Armee von 685.000 Männern und Frauen und habe damit die fünftgrößte Armee der Welt. Alle Männer seien wehrpflichtig. Die Dauer des Militärdienstes betrage zwischen 21 und 24 Monaten. Es gebe kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung und deshalb auch keine alternativen waffenlosen oder zivilen Dienste.

Alle, welche die Militarisierung in Korea in Frage stellten, zahlten einen hohen Preis. So würden Kriegsdienstverweigerer in aller Regel zu 18 Monaten Haft verurteilt und in der Gesellschaft diskriminiert. Sie würden nie einen Arbeitsplatz beim koreanischen Staat bekommen, auch alle Großbetriebe stellten keine Kriegsdienstverweigerer ein.

Myung-jin Moon berichtete über seine Erfahrungen als Kriegsdienstverweigerer in Südkorea. Er habe erstmals im Jahr 2006 über eine Wehrdienstverweigerung nachgedacht, als er beobachtete, wie die koreanische Bereitschaftspolizei mit Gewalt gegen Demonstranten vorging. Am 14.Dezember 2010, dem Tag seiner Einberufung, hielt er eine Pressekonferenz vor dem Verteidigungsministerium ab und verkündete seine Wehrdienstverweigerung. Am 30. März 2011 wurde er zu 18 Monaten Haft verurteilt. Er sei mehrere Monate mit 15 weiteren Häftlingen in einer Zelle eingesperrt gewesen, hätte täglich zwölf Stunden in der Küche für die Versorgung der 900 Gefangenen arbeiten müssen und einen freien Tag habe es nur alle zwei Wochen gegeben. In Südkorea würden Kriegsdienstverweigerer als verrückt erklärt. Deshalb sei für ihn die Unterstützung von Gleichgesinnten, gerade auch aus anderen Ländern, sehr wichtig gewesen. Heute engagiere sich Moon in der weltweiten Friedensbewegung.

„Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht“
Professor Dr. Fernando Enns von der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen an der Universität Hamburg und der Vrije Universiteit Amsterdam bedauerte, dass Kriegsdienstverweigerung bei den christlichen Kirchen in Südkorea kein Thema sei. Ihm sei von Vertretern einiger dieser Kirchen zu verstehen gegeben, dass es bei ihnen solche Verweigerer nicht gebe. Es handele sich lediglich um Zeugen Jehovas, zu denen man aber keinen Kontakt pflege. Dem widersprach Enns. Er erinnerte daran, dass Sang-Min Lee, Mitglied der kleinen „Gnade und Frieden“-Mennonitengemeinde in Seoul ebenfalls im Jahr 2013 wegen Kriegsdienstverweigerung zu 18 Monaten Haft verurteilt worden sei. Kriegsdienstverweigerung sei ein Menschenrecht. Dabei komme es nicht darauf an, welcher Religion man angehört. Südkorea müsse als demokratischer Staat seinen Bürgern auch das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung garantieren.

Auch Adventisten setzen sich für waffenlosen Dienst ein
Laut Holger Teubert, Leiter des Referats Kriegsdienstverweigerung der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland und freikirchlicher Vertreter im Vorstand der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK), empfehle die Freikirche ihren wehrpflichtigen Mitgliedern weltweit als „Nichtkämpfer“ einen waffenlosen Dienst oder einen Zivildienst zu leisten. Wo dies nicht möglich sei, müsse jeder seine eigene Gewissensentscheidung treffen, ob er eine Waffe in die Hand nimmt.

In der früheren DDR seien die meisten wehrpflichtigen Adventisten zu den Bausoldaten gegangen. Da es in Südkorea Alternativdienste nicht gebe, kämen auch Adventisten immer wieder in Konflikt. So seien beispielsweise die adventistischen Studenten Young-chul Yoon und Hwi-jai Lim wegen Kriegsdienstverweigerung ebenfalls zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Dasselbe gelte für fünf weitere Adventisten, welche als Reservisten bei Wehrübungen den Waffendienst verweigerten. Die adventistische Kirchenleitung in Südkorea fordere seit Jahren vergeblich das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gesetzlich zu regeln.

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