Christliche Kirchen fehlen im Projekt "Istanbul – Kulturhauptstadt Europas 2010"

Istanbul/Türkei | APD

Istanbul/Türkei, 15.10.2009/APD Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel ist mit der Einbindung in das Projekt "Kulturhauptstadt 2010" unzufrieden. Unter dem Motto "Wo die Kulturen sich treffen" will sich die 17-Millionen-Stadt Istanbul im nächsten Jahr als Zentrum der europäischen Kunst und Kultur präsentieren.

In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur APD in Istanbul bestätigte der Pressesprecher des Patriarchats, Erzpriester Dositheos Anagnostopoulos, dass das Patriarchat aufgrund des fehlenden Rechtsstatus bisher von den Organisatoren nicht kontaktiert worden sei. Zwar seien vor längerer Zeit einige kirchliche Kulturvereine oder Stiftungen zur Mitarbeit eingeladen worden, doch lägen knapp drei Monate vor Eröffnung des Projekts noch keine konkreten Ergebnisse der eingesetzten Gremien vor.

Wenn man nur einige kirchliche Gebäude renoviere und Museen einrichte, sei das letztlich zu wenig, so Anagnostopoulos. Kultur erschöpfe sich nicht in schönen Gebäuden, sondern bedeute Begegnung zwischen Menschen und deshalb brauche es auch kirchliche Institutionen als Orte der Begegnung. Doch davon sei bisher nichts festzustellen.

Der Pressesprecher des Patriarchats warnte die Kulturhauptstadt-Verantwortlichen vor einer Zwickmühle. Schließlich gebe es in Istanbul zahlreiche kirchliche Gebäude, doch es fehlten die dazugehörigen Menschen. Anagnostopoulos: "Das kann man nicht kaschieren, das gehört aufgearbeitet". Doch solch ein Denken sei in Istanbul noch nicht etabliert.

Der Patriarchats-Sprecher erinnerte daran, dass Istanbul vor 50 Jahren bei einer Einwohnerzahl von rund 1,1 Millionen Menschen einen fast 25-prozentigen Minderheitenanteil hatte. Allein 110.000 Griechen lebten damals in der Region. Heute seien es nur noch wenige Tausend in einer Stadt mit 17 Millionen Menschen.

Bezeichnend sei auch, so Anagnostopoulos, dass weder die theologische Fakultät und das Priesterseminar auf der Insel Chalki noch das orthodoxe Waisenhaus auf der Prinzeninsel Büyükada in Projekte rund um die Kulturhauptstadt eingebunden wurden. Dazu müsste man die dahinterstehenden Probleme erst lösen, wofür es aber scheinbar kein Interesse gebe.

Obwohl die veranstaltende Agentur ECoC in ihren Veröffentlichungen über die "Kulturhauptstadt 2010" darauf hinweist, dass Istanbul Jahrtausende lang Hauptstadt des Römischen, Byzantinischen und Osmanischen Reiches war und damit im Fokus des Christentums, des Judentums und des Islams stand, gibt es im Veranstaltungskalender der "Kulturhauptstadt 2010" bisher keine städtischen Projekte, welche Tradition und Alltag von Menschen unterschiedlicher Religionen berücksichtigen.

Die für das Projekt "Kulturhauptstadt 2010" zuständige ECoC-Fachreferentin für internationale Beziehungen, Neylan Bowden, nannte der Nachrichtenagentur APD gegenüber vor allem kulturelle Projekte. So entstünden derzeit in Istanbul eine Reihe neuer Kulturzentren. Ferner würden wichtige archäologische Stätten wie jene im Garten der Hagia Sophia restauriert. Ein neues Stadtmuseum sei im Entstehen, das archäologische Funde zeige. Die bestehenden Museen, wie das Archäologische Museum und das Topkapi-Museum, sollen neuen Museumsanforderungen entsprechen. Zudem werde mit dem "Hagia Irene Museum" ein neues Museum für Reliquien und Ikonen eröffnet. Musikprojekte aller Stile und Richtungen, Literaturveranstaltungen und Filmfestivals gehörten ebenso zum Programm wie gänzlich neue visuelle Kunstprojekte, die sich beispielsweise mit dem Thema "Leben und Arbeiten in Istanbul" befassten.

Neylan Bowden wies auch auf ein unterschriftsreifes, grenzüberschreitendes Projekt mit Italien hin. Dabei gehe es um die Digitalisierung analoger kirchlicher Daten und Informationen mit dem Ziel der Langzeitarchivierung.

Als Projekt-Schwerpunkte der "Kulturhauptstadt 2010" bezeichnete Bowden die Schaffung und Umsetzung umfassender Revitalisierung in Nachbarschaften und städtischen Zentren, Kultur und Kunst sowie Fremdenverkehr und Tourismusförderung.

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