Schuldbekenntnis der FeG-Bundesleitung zum Nationalsozialismus

Witten | APD

Witten, 24.09.2014/APD Statt als Christen politische Verantwortung im neutestamentlichen Sinne als "Salz und Licht der Welt" zu übernehmen, hätten Freie evangelische Gemeinden (FeG) zu den "bestialischen Morden" an unzähligen Juden und anderen Menschen geschwiegen, erklärten 17 Mitglieder der FeG-Bundesleitung in einem Schuldbekenntnis zum Versagen im Dritten Reich. Präses Ansgar Hörsting verlas das Bekenntnis auf dem diesjährigen Bundestag der Freien evangelischen Gemeinden am 20. September im Kronberg-Forum in Ewersbach (Dietzhölztal/Mittelhessen).

"Wir hätten gegen dieses Unrecht aufstehen müssen", betonte Hörsting. Stattdessen habe man sich angepasst, um einen "Freiraum für das gemeindliche Leben zu bewahren". Zwar habe es auch Mitglieder der Freikirche gegeben, die "widerständig gelebt haben", doch wären etliche FeG-Vertret¬er und ihre Gemeinden – das sei der eindeutige Befund historischer Zeugnisse – auf der Welle des Nationalsozialismus mitgeschwommen. Hörsting mahnte allerdings vor Überheblichkeit aus heutiger Sicht, denn wahrscheinlich hätten viele sich unter ähnlichen Umständen entsprechend verhalten. Mit diesem Bekenntnis vor über 300 Delegierten des höchsten FeG-Gremiums griff die Bundesleitung frühere Schuldeingeständnisse auf, insbesondere das aus dem Jahr 1995 des damaligen Präses Peter Strauch.

Auch im Ersten Weltkrieg "Parolen der Machthaber nachgesprochen"
Die drei Jahrestage – 100 Jahre Ausbruch des Ersten Weltkrieges, 75 Jahre Beginn des Zweiten Weltkrieges und 25 Jahre Öffnung der Berliner Mauer – hätten den Anlass zu diesem Bekenntnis gegeben, erklärte Hörsting. Die Berichterstattung zu den Jahrestagen habe ihn tief bewegt, so auch die Artikel zum Verhalten Freier evangelischer Gemeinden und ihrer Leiter zu den beiden Weltkriegen in der FeG-Bundeszeitschrift "Christsein heute". Zum Ersten Weltkrieg sagte der Präses: "Es ist zu erkennen, dass im Bund und in Gemeinden führende Personen die Parolen der Machthaber und Medien nachsprachen. Da es in der allgemeinen Meinung um eine gerechte Verteidigung Deutschlands ging, mit dem Ziel ausländische Aggressoren abzuwehren, konnte man dazu aufrufen, mit Begeisterung die Waffen zu ergreifen." Es könne schnell passieren, dass Christen in das Horn stießen, das politisch opportun erscheine, so Hörsting. "Wir können angesichts der Geschichte nur vertrauen, dass Gott vergibt und mit uns weitermacht."

Mit positiven Kräften der Spirale der Gewalt entgegenwirken
Die Ereignisse der letzten Wochen, insbesondere der brutale Terror der Kämpfer für den "Islamischen Staat (IS)", fordere auch die FeG heraus, mit allen positiven Kräften dieser Spirale von Gewalt entgegenzutreten. "Unsere Geschichte verpflichtet uns zu einem ernsthaften Engagement", sagte Hörsting in seinem "Wort des Präses". Das gleiche gelte für die gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Ukraine. Es reiche nicht aus, die Verletzten zu heilen und Flüchtlingen Unterkunft zu gewähren. So müsse man den Mördern auch mit Gewalt Einhalt gebieten. Militärgewalt sei dabei jedoch die "Ultima Ratio", das letzte Mittel, wenn alle Verhandlungen und gewaltlosen Maßnahmen versagten.

Hörsting forderte die FeG-Mitglieder auf, sich nicht in eine fromme Nische zurückzuziehen, sondern ihre Stimme für die Unterdrückten zu erheben. Er gab zu bedenken: "Ob ich wirklich für Religionsfreiheit und Menschrechte bin zeigt sich daran, ob ich die der anderen verteidige, denn für die eigenen einzustehen ist nicht schwer."

Die erste Freie evangelische Gemeinde entstand 1854 in Wuppertal. 20 Jahre später schlossen sich 22 Gemeinden zum Bund Freier evangelischer Gemeinden zusammen. Heute gehört der Bund zu den wenigen wachsenden Kirchen in Deutschland. Gegenwärtig zählt er 471 Gemeinden mit 40.323 Mitgliedern. Dazu kommen rund 15.500 "Freunde" und 9.000 Kinder. Zum Bund gehören die Theologische Fachhochschule Ewersbach (Dietzhölztal), die Diakonischen Werke Bethanien (Solingen) und Elim (Hamburg), die Allianz-Mission (Dietzhölztal) und weitere soziale Initiativen. Die Bundeszentrale befindet sich in Witten an der Ruhr. Freie evangelische Gemeinden gibt es in über 20 Ländern. Mit ihren etwa 30 Mitgliedsbünden umfasst der Internationale Bund rund 450.000 Mitglieder.
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