„Kein Weltfriede ohne Religionsfriede“ – zum Tod von Hans Küng

Hans Küng in der Synagoge (Hechingen/Deutschland) 2009

© Foto: Muesse / Creative Commons Attribution 3.0 Unported

„Kein Weltfriede ohne Religionsfriede“ – zum Tod von Hans Küng

Ostfildern | APD

Hans Küng ist tot. Am 6. April starb der in Sursee/Schweiz geborene Theologe im Alter von 93 Jahren in seinem Haus in Tübingen. Weltweit erschienen Nachrufe auf diesen römisch-katholischen Priester, Theologen und vielgelesenen und zitierten Autor. Auch die Eberhard-Karls-Universität in Tübingen ehrt in einem Nachruf einen ihrer produktivsten Forscher.

So formuliert der Rektor der Universität, Professor Bernd Engler: „Mit Hans Küng verliert die Universität Tübingen einen … überaus schöpferischen Gelehrten und einen exzellenten Theologen“. Küng habe mit dem Institut für Ökumenische Forschung und dem Weltethos-Institut an der Hochschule Einrichtungen von bleibender Bedeutung geschaffen und damit die Universität tiefgreifend geprägt. Mit seinem weltweit anerkannten Einsatz für Kirchenreformen und für den Dialog der Religionen habe er maßgeblich zum internationalen Ansehen der Universität Tübingen beigetragen.

Aus Anlass des Todes von Hans Küng wiederholt der APD eine Würdigung über den Kirchenmann in leicht angepasster Form, die schon zu seinem 80. Geburtstag publiziert wurde.

Hans Küng galt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Theologen der Gegenwart. Von 1948 bis 1957 studierte Küng Philosophie und Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und an der Sorbonne zu Paris. Im Jahre 1979 entzog ihm der Heilige Stuhl die kirchliche Lehrerlaubnis (Missio canonica). Bis zu seiner Emeritierung 1996 blieb er als Direktor des Instituts für Ökumenische Forschung weiterhin Professor an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Besonders engagierte sich der Theologe im Dialog der Weltreligionen und für sein religionsübergreifendes „Projekt Weltethos" mit der begleitenden Stiftung, deren Präsident er bis 2013 war. Für Hans Küng war zur Erhaltung des Weltfriedens ein Religionsfrieden Voraussetzung. Deshalb hat er herausgearbeitet, dass die verschiedenen Weltreligionen in den zentralen Grundfragen, wie etwa bei den Zehn Geboten, tatsächlich eine ähnliche Ethik haben. Der Theologe billigte dabei dem Christentum einen relativen Vorrang vor anderen Weltanschauungen zu.

Küng sprach von selbstverständlichen ethischen Standards und verwies auf die goldene Regel „Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg' auch keinem andern zu." Diese ethische Ausrichtung will die Stiftung vermitteln. Der Tübinger Theologe warb dafür als Dialogpartner bei Staatsmännern und Religionsführern. Es ging ihm um die gemeinsamen ethischen Werte, Haltungen und Normen. Sein Appell „Kein Weltfriede ohne Religionsfriede" nahm den Papst oder muslimische Repräsentanten genauso in den Blick wie den US-Präsidenten.

Als Papst Benedikt XVI. den ihm seit mehr als 50 Jahren bekannten Küng im September 2005 zu einem vierstündigen Gespräch in Castel Gandolfo empfing, sorgte das für weltweites Aufsehen. Küng und Ratzinger hatten beim Zweiten Vaticanum zu den jüngsten Konzilsberatern gezählt. Bei der Begegnung ging es um das Projekt Weltethos und um das Verhältnis zwischen Naturwissenschaften, Vernunft und Glaube, nicht um eigentliche Lehrfragen.

In der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), hatte sich ein Konflikt Küngs mit den Bischöfen entwickelt, in dessen Mittelpunkt die Unfehlbarkeit des Papstes und Grundfragen der Christologie standen. Hans Küng war der erste bekannte Theologe römisch-katholischer Herkunft seit dem Schisma der alt-katholischen Kirche von 1870, der die Unfehlbarkeit des Papstes öffentlich und grundsätzlich in Frage stellte. Die Auseinandersetzung eskalierte nach langem Streit 1979, als die Deutsche Bischofskonferenz mit Billigung der vatikanischen Glaubenskongregation Küng die kirchliche Lehrerlaubnis entzog.

Den Lehrmeinungen der römisch-katholischen Kirche stand Küng kritisch gegenüber und hinterfragte die Legitimation der in der römisch-katholischen Kirche als gottgegeben geltenden Dogmatik. Dabei stellte er vor allem folgende Lehrmeinungen in Frage: Unfehlbarkeit des Papstes, Unsittlichkeit der künstlichen Empfängnisverhütung, strikte Unerlaubtheit der Abtreibung, Unmöglichkeit der Frauenordination, Ungültigkeit der anglikanischen Weihen und Festhalten an der Zölibatsverpflichtung für Kleriker. Trotzdem betonte Küng immer wieder, er sehe sich als „loyalen katholischen Theologen".

Küng verfasste zahlreiche Bücher, die in hohen Auflagen weit über Kirchenkreise hinaus Beachtung gefunden haben und in zahlreiche Sprachen übersetzt sind. Zu den bekanntesten Werken zählen „Die Kirche" (1967), „Unfehlbar?" (1970), „Christ sein" (1974), „Existiert Gott?" (1978), „Ewiges Leben" (1982), „Projekt Weltethos" (1990) und „Credo" (1992). Wie wenige andere katholische Theologen war Küng, der in Rom und Paris studiert hat, früh mit der protestantischen Theologie vertraut; so gehört er zu den besten Kennern von Karl Barth, über den er promovierte. Küngs bereits 1957 erschienenes Buch „Rechtfertigung" gilt auch heute noch als richtungweisend. In einer Trilogie über die großen monotheistischen Religionen veröffentlichte Küng „Das Judentum" (1991), „Das Christentum" (1994) und „Der Islam" (2003). 1997 erschien „Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft". 2002 kam unter dem Titel „Erkämpfte Freiheit" der erste Teil von Küngs Autobiographie heraus. Zwei weitere folgten. Küng gehört zu den Gründungsmitgliedern der Internationalen Zeitschrift für Theologie „Concilium". Zuletzt erschienen von ihm „Was bleibt“ (2014), „Glücklich sterben“ (2014) und „Sieben Päpste“ (2016).

Zahlreiche Ehrungen, Auszeichnungen und Preise erhielt Küng für seine Forschungen und sein Engagement, so 2003 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland (großes Verdienstkreuz mit Stern) und 2017 sogar die Benennung eines Asteroiden nach ihm.