ADRA fordert beim European Humanitarian Forum 2025 eine humanitäre Wende

Referentinnen für Policy und Advocacy bei ADRA Deutschland Bianca Belger (links) und Carina Rolly (2. von links) auf dem European Humanitarian Forum 2025.

© Foto: ADRA EU

ADRA fordert beim European Humanitarian Forum 2025 eine humanitäre Wende

Die Adventistische Entwicklungs- und Katastrophenhilfe ADRA Deutschland e.V. fordert ein verstärktes internationales Engagement angesichts wachsender humanitärer Krisen.

APD

Das globale humanitäre System stehe unter beispiellosem Druck, während die finanzielle Unterstützung Zug um Zug zurückgehe, so ADRA Deutschland in einer Pressemitteilung. Das Hilfswerk appelliert an europäische Institutionen und die Bundesregierung, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und lokale Akteure stärker zu unterstützen. ADRA Deutschland war vom 19. bis 20. Mai beim European Humanitarian Forum 2025 in Brüssel vertreten und setzt sich für eine mutige und wertebasierte humanitäre Wende ein.

Am Scheideweg

Das humanitäre System stehe am Scheideweg: Mehr als 300 Millionen Menschen benötigten im Jahr 2025 humanitäre Hilfe. Gleichzeitig gebe es einen Rückgang der globalen Hilfszahlungen um 7,1 Prozent im Jahr 2024, informierte ADRA-Pressesprecher Andreas Lerg. Gepaart mit der aktuellen Entwicklung durch US-Präsident Donald Trump und der Zerschlagung der amerikanischen Behörde für internationale Entwicklung USAID drohe die Grundlage internationaler humanitärer Hilfe zu erodieren. Die Zahl der Konflikte habe sich im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Naturkatastrophen treten aufgrund des Klimawandels häufiger und verheerender auf. Gleichzeitig werde der Zugang zu Menschen in Not zunehmend eingeschränkt und die Sicherheit humanitärer Helfer wäre in vielen Regionen massiv gefährdet.

Was wir derzeit weltweit erleben, sei eine gefährliche und irgendwann fatale Kombination aus einem steigenden Bedarf auf der einen und schwindenden Ressourcen auf der anderen Seite, betont Lerg. Ohne ein entschlossenes Handeln der internationalen Gemeinschaft drohe das nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute humanitäre System zu kollabieren.

Europas besondere Verantwortung

Als drittgrößte Wirtschaftsmacht trage Europa eine besondere Verantwortung in der globalen humanitären Hilfe. Die Bereitstellung von 1,9 Milliarden Euro an humanitärer Hilfe durch die EU für 2025 wäre ein wichtiger Schritt, reiche jedoch angesichts der wachsenden Herausforderungen längst nicht aus. ADRA Deutschland, das seit seiner Gründung 1987 in über 40 Ländern mehr als 3.000 Projekte der Entwicklungszusammenarbeit erfolgreich umgesetzt habe, fordere die Europäische Union und die Bundesregierung auf, die humanitäre Hilfe als einen Eckpfeiler ihrer Außenpolitik zu verankern und das regelbasierte internationale System zu stärken.

Lokale Akteure als Schlüssel zur effektiven humanitären Hilfe

In Übereinstimmung mit ADRAs Grundprinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ sei die Stärkung lokaler Akteure ein zentraler Ansatz, um auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren, so Lerg. ADRA arbeite seit jeher nach dem Prinzip, die lokale Bevölkerung von Beginn an in die Planung und Umsetzung ihrer Projekte einzubinden. Diese Erfahrung belege, dass lokale Gemeinschaften oft die wirksamsten Ersthelfer in Krisensituationen sind. Sie benötigten jedoch verlässliche und flexible Kernfinanzierung, um diese Rolle effektiv wahrnehmen zu können.

ADRAs Forderungen für ein zukunftsfähiges humanitäres System

Auf Basis der Vision für eine gerechte Welt für jeden Menschen fordere ADRA Deutschland anlässlich des European Humanitarian Forums 2025 von der Europäischen Union und der deutschen Bundesregierung:

1. Globale Verantwortung übernehmen und ein verlässlicher Partner in einer multipolaren Welt bleiben, der sicherstellt, dass die humanitäre Hilfe ein Eckpfeiler der Außenpolitik ist.

2. Aufrechterhaltung einer auf Regeln basierenden internationalen Ordnung, welche die Einhaltung des humanitären Völkerrechts garantiert.

3. Unterstützung und Förderung einer aktiven und unabhängigen Zivilgesellschaft, sowohl im eigenen Land als auch weltweit. Die Förderung der Menschenrechte, der Demokratie, der Gleichstellung der Geschlechter und der Vielfalt sollte als gemeinsames Gut und wesentliches Ziel anerkannt werden. Die Stärkung von Randgruppen, die Gewährleistung einer gleichberechtigten Teilhabe und die Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse aller Geschlechter und unterschiedlicher Gemeinschaften müssen integraler Bestandteil der humanitären Bemühungen sein.

4. Anerkennung der lokalen Gemeinschaften als Akteure an vorderster Front, um sicherzustellen, dass sie mehr Verantwortung bei der Bewältigung der humanitären Bedürfnisse übernehmen, zum Beispiel durch Mitsprache in den Entscheidungsgremien.

5. Gewährleistung einer verlässlichen und flexiblen Grundfinanzierung für die lokalen und nationalen Akteure, damit sie bei den humanitären Hilfsmaßnahmen eine stärkere Rolle übernehmen können.

6. Aktualisierung des internationalen humanitären Systems, um die Akteure vor Ort zu stärken. Erfolgreiche Partnerschaftsmodelle zwischen lokalen und internationalen Akteuren oder Netzwerken lokaler und nationaler zivilgesellschaftlicher Organisationen im Bereich der humanitären Hilfe müssen auf einem ausgewogenen Machtgleichgewicht und geteilten Risiken beruhen.

Bianca Belger und Carina Rolly, Referentinnen für Policy und Advocacy bei ADRA Deutschland bewerten das European Humanitarian Forum 2025 nach ihrer Teilnahme. Bianca Belger kommentiert: „Das diesjährige Europäische Forum für humanitäre Hilfe hat mehr Akteure, mehr Dringlichkeit und größere Relevanz als je zuvor zusammengebracht. In diesen schwierigen Zeiten ist es ein wichtiger Ort für einen ehrlichen Dialog und gemeinsames Handeln. Ich bin zuversichtlich, dass die hier geknüpften Verbindungen und Ideen zu einem starken Gefühl der gemeinsamen Verantwortung führen werden.“

Carina Rolly ergänzt: „Das diesjährige Forum stellt die Diskussion über die humanitäre Wende in den Mittelpunkt, was ADRA begrüßt. Da wir das humanitäre System angesichts zunehmender Fragilität und schrumpfender Ressourcen neu überdenken, muss der Wandel sowohl prinzipiell als auch mutig sein. Die Ökologisierung der humanitären Hilfe ist kein Luxus, sie ist eine Notwendigkeit, um sicherzustellen, dass unsere Maßnahmen nicht nur lebensrettend, sondern auch zukunftssicher sind, und muss daher ein integraler Bestandteil des Neustarts sein. Ein Wandel ist möglich, wenn wir Dringlichkeit und Vision miteinander verbinden.“

ADRA Deutschland

ADRA Deutschland e. V. mit Sitz in Weiterstadt bei Darmstadt wurde 1987 gegründet, hat rund 50 Angestellte und steht der evangelischen Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten nahe. Es ist Teil des weltweiten ADRA-Netzwerks, das 1956 gegründet wurde, aus 108 eigenständigen nationalen Büros besteht und weltweit Projekte der Entwicklungszusammenarbeit sowie der humanitären Hilfe in Katastrophenfällen durchführt. ADRA steht für Adventist Development and Relief Agency. ADRA Deutschland ist unter anderem Gründungsmitglied des Verbands Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO), der „Aktion Deutschland Hilft“ und „Gemeinsam für Afrika“. Informationen: www.adra.de.